2.1 Wohnungspolitische Programmatik
       In der Weimarer Republik kam es u.a. durch die Folgen des verlorenen 
        Krieges zu schweren Krisen (8). Vor allem aufgrund der Kriegsfinanzierung, 
        die größtenteils auf Anleihen basierte, stieg die Inflationsrate stark 
        an, bis es schließlich 1923 zu einer Hyperinflation kam. Dies führte zu 
        einer besonders großen Anfälligkeit des deutschen Kreditwesens, "das in 
        hohem Maße von zumeist kurzfristigen Auslandsanleihen abhängig war" (9). 
        Hinzu kamen noch die hohen Reparationszahlungen v.a. an England und Frankreich. 
        Durch die industriellen Rationalisierungsprozesse und Störungen des Welthandels 
        entwickelte sich schon in den 20er Jahren eine strukturelle Arbeitslosigkeit. 
        Daneben kam es zu einer extremen Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft, 
        da die weltweite Überproduktion zu einem Preisverfall für landwirtschaftliche 
        Produkte führte. Diese Faktoren wurden ab 1929 von der Weltwirtschaftskrise 
        verstärkt und führten schließlich zum Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft. 
        Es folgte ein immenser Anstieg der Arbeitslosigkeit, die im Jahre 1932 
        mit 29,9 % (11) ihren Höhepunkt erreichte.  
      Die Auswirkungen dieser Krise trafen vor allem die Unterschicht hart. 
        Unter anderem durch wohnungspolitische Programme versuchte der Staat den 
        Auswirkungen der Krise entgegenzutreten mittels  
       
        'Förderung der Dezentralisierung der Städte, 
          Umsiedlung aus der Großstadt in mehr ländliche Bezirke, Auflockerung 
          der Bau- und Wohnweise, Förderung des Flachbaus mit Landzugabe, Nutzbarmachung 
          zweckmäßiger und kohlesparender Baustoffe, Berücksichtigung aller nur 
          irgend vertretbaren Ersparnismöglichkeiten, Durchsetzung eines auch 
          in ästhetischer Beziehung den Ansprüchen und Auffassungen der Zeit genügenden 
          Niveaus der Bebauungspläne und Hausformen"(13).  
          
      Die Bauweise und die Anlage der Siedlungen nahmen eindeutig Bezug auf 
        die Gartenstadtideen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand wieder die 
        Angst vor der Stadt. Allerdings richtete sie sich diesmal weniger gegen 
        die zu dichte Bebauung, sondern gegen das Risiko, das die Regierung in 
        der Zusammenballung verschiedener politischer Einstellungen auf kleinem 
        Raum sah. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Siedlungen sollten 
        einen möglichst uniformen Charakter haben, der in der Einfachheit des 
        Baustils und der genormten Anlage der Siedlung offensichtlich wurde. Durch 
        dieses Programm wollte man den Siedlern (z. B. Erwerbslosen und Kriegsgeschädigten) 
        das Gefühl der sozialen Benachteiligung nehmen. Es wurde vor allem eine 
        Senkung der Baukosten angestrebt. Mittel dazu war die "Einschränkung der 
        Wohnansprüche" (14), die sich in einer Minderung der Wohnausstattung niederschlug. 
        Als weitere Sparmaßnahme empfahl die Regierung den Bewohnern Selbsthilfe. 
        Die Bevölkerung sollte in Kleinhäusern mit Landzugabe angesiedelt werden. 
       
      
         "Nur in einem Kleinhause mit Garten 
          kann die Bevölkerung wieder die notwendige Verbindung mit dem Grund 
          und Boden finden. Und nur in einem solchen Heim wird man auf die Dauer 
          zufriedene und gesunde Familien erhalten können." (15)  
        
      2.2 Siedlungspläne unter Brüning 
      Unter Heinrich Brüning (1885 - 1970) als Reichskanzler erreichte die 
        Zahl der Arbeitslosen ihren Höhepunkt. Brünings Ziel war "die Überwindung 
        der Staatsund Wirtschaftskrise" (16) des Reiches (17). Realisiert werden 
        sollte dies durch eine eiserne Sparpolitik, die aber zumindest kurzfristig 
        prozyklisch wirken mußte. Er stützte sich bei dieser unpopulären Politik 
        auf Notverordnungen des Reichspräsidenten.  
      1931 wurde erstmals wieder auf ministerieller Ebene im Hinblick auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 
        über die Planung für Stadtrandsiedlungen für Erwerbslose diskutiert. Die 
        Anregung zu diesen Diskussionen ging vor allem auf den Geheimrat Stephan 
        Poerschke zurück. Dieser formulierte die Voraussetzungen der neuen Siedlungsform 
        folgendermaßen:  
      
         "Sie mußten die Ansetzung einer ungewöhnlich 
          großen Zahl von Menschen möglich machen die einzelne Siedlerstelle mußte 
          sehr billig sein, um den Siedler finanziell nur wenig zu belasten - 
          daher war billige Landbeschaffung, billiges Baumaterial und weitestmögliche 
          Selbsthilfe der Siedler unvermeidliches Erfordernis -, die Siedlerstelle 
          mußte Ertrage abwerfen die mindestens die Verzinsung und Tilgung des 
          investierten Kapitals gewährleisteten, und darüber hinaus dem Siedler 
          einen zusätzlichen Nahrungsmittelertrag ... für seine Familie abwerfen, 
          sie durfte keine speziellen Fachkenntnisse erfordern und mußte möglichst 
          in leicht erreichbarer Nähe der bisherigen Wohnorte der Siedler gelegen 
          sein" (19) 
        
      Poerschkes Pläne wurden in der Öffentlichkeit und vor dem Kabinett vom 
        Reichsfinanzminister Hermann Dietrich vertreten. Der sogenannte "DietrichPlan" 
        wurde gemeinsam mit dem von Adam Stegerwald (Mitglied des Kabinetts Brüning) 
        geförderten Programm für ländliche Siedlungen ab September 1931 im Kabinett 
        diskutiert. Allerdings kam es vorerst nicht zu einer Einigung zwischen 
        den Vertretern der beiden Programme, da jeder eine Förderung seines Siedlungsplanes 
        verlangte.  
      "Das Reichsarbeitsministerium hatte inzwischen ein weiteres Siedlungsprogramm 
        ausgearbeitet" (20), das wiederum der ländlichen Siedlung den Vorzug gab. 
        Schließlich kam es doch noch zu einer Einigung, die in der Notverordnung 
        vom 6.10.1931 ihre Verwirklichung fand. (21) Dort legte man folgendes 
        fest: 
       
         
          - die finanzielle Förderung durch das Reich, 
 
         
      
       
         
          - die zentrale Organisation durch den Reichskommissar,
 
         
      
       
         
          - die Nutzung von Siedlungsland öffentlich-rechtlicher 
            Körperschaften, 
 
         
      
       
         
          - die persönliche Eignung und das Prinzip der Selbsthilfe 
            der Siedler, 
 
         
      
       
         
          - die Möglichkeit der Eigentumsbildung in Siedlerhand. 
            (22) 
 
         
      
      Das Siedlungsprogramm sollte "aus Hauszinssteuermitteln" (23) finanziert 
        und so schnell wie möglich durchgesetzt werden, um den Erwerbslosen eine 
        Möglichkeit zu geben, "für ihr eigenes Wohl zu arbeiten" (24). Es erhielt 
        großen Zuspruch in der Öffentlichkeit (siehe auch Tab. Siedlungspolitik 
        des Deutschen Reiches 1927-1938, Kap. 3.1).  
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      Anmerkungen
      (8) v g1. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, 1.1  
        (9) ebd., S. 20  
        (10) ebd.  
        (11) Berg/ Selbmann, 1987, S. 75; verändert zit. nach Michalka Wolfgang 
        / Niedhart Gottfried (Hrsg.): Die ungeliebte Republik. Dokumente zur Innen- 
        und Außenpolitik Weimars 1918?1933, München 1980, S. 412  
        (12) vgl. Peltz/Dreckmann, 1978, S. 62 ff.  
        (13) Peltz/Dreckmann, 1978, S. 62 f., zit. nach Glas, Krüger, Gut, a.a.0., 
        S. 115 f.  
        (14) Peltz/Dreckmann, 1978, S. 64, zit. nach Herbert Heide, Baulandbevorratung 
        als Voraussetzung planmäßiger Siedlungstätigkeit, in: Sera him Hans Jürgen, 
        (Hrsg)., Heimstättenarbeit in Westfalen..., S. 69  
        (15) ebd. S. 64, zit. nach Glas/ Krüger/ Gut, a.a.0., S. 115 f.  
        (16) Berg/ Selbmann, 1987 S. 83  
        (17) vgl. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, S. 27 ff., Peltz/Dreckmann 1978, 
        S. 80 ff.  
        (18) Schulze Hagen, Staatsfeindliche und staatstragende Parteien 1919-1933, 
        Weimar/ Berlin 1983, Vorsatzblatt  
        (19) Harlander/ Hater/, Meiers/, 1988, S. 27  
        (20) ebd., S. 37  
        (21) vgl. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, S. 68 ff.  
        (22) ebd., S. 68 f.  
        (23) ebd., S. 68  
        (24) ebd., S. 69, zit. nach Bauwelt 1931, S. 1320  
      
  
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