Manch einer, der gelegentlich eines Italienurlaubs die
Brennerroute nimmt, hält vielleicht bei der Überquerung der Alpen kurz inne,
um einen Abstecher etschtalaufwärts nach Meran zu machen. Dort findet er zwar
die ruinöse Burg Tirol, den ehemaligen Stammsitz der Tiroler Grafen, ihm wird
aber kaum ein Zeugnis des Fürstengeschlechts der Andechs-Meranier begegnen,
denn diese im Hochmittelalter so bedeutende Familie hatte zu der Stadt Meran
kaum eine nennenswerte Beziehung, obwohl ihr letzter Spross mit einer Tiroler
Grafentochter verheiratet war. Weder ist der Name „Meranier" von der
Stadt Meran abgeleitet, noch besaßen die Andechser dort Güter oder Lehen.
Die Ursprünge der Andechser auf die bayerischen
Luitpoldinger oder gar auf das zwischen Lech, Isar und Amper ansässige
Uradelsgeschlecht der „HLIOSI" zurückführen zu wollen hält keiner
historischen Überprüfung stand. Als legendenumwobener Gründer gilt ein Graf
Rasso, der sich um die Befreiung des Heiligen Landes Verdienste erworben, einen
großen Schatz von Reliquien mit nach Hause gebracht, und, um für sie
eine würdige Aufbewahrungsstätte zu schaffen, 954 in Grafrath an der Amper ein
Kloster gegründet haben soll, in dem er auch begraben liege. Sicher belegt ist
das Geschlecht der Andechser erst seit dem 11. Jahrhundert in
Güterverzeichnissen süddeutscher Klöster und Domstifte oder in Nennungen von
einzelnen Mitgliedern der Familie in Königs- oder Kaiserurkunden. Insbesondere
enthalten Totenbücher des von den Andechsern Anfang des 12. Jahrhunderts gegründeten Klosters Dießen
frühe Namen der Stifterfamilie, ohne sie genauer zu datieren.
Stammtafel der Andechs-Meranier
Der Aufstieg der Andechser hatte zwei wichtige
Voraussetzungen: Sie konnten einen beachtlichen Grundbesitz zwischen oberen Lech
und oberer Isar sowie um Erding und Ebersberg, im II. Jahrhundert vielleicht
auch schon am Inn um Wasserburg, teils als Eigenbesitz (Allod), teils als Lehen
samt den damit verbundenen Rechten an sich bringen. Viel wichtiger aber wurde, dass
sie Inhaber gräflicher Rechte waren. Nach der seit der Karolingerzeit
bestehenden Grafschaftsorganisation hatte nämlich der Graf als Stellvertreter
des Königs neben anderen übertragenen Befugnissen als Vogt die Gerichtsbarkeit
über die geistlichen Grundherrn, was ihm den Zugriff auf deren sich ständig
vermehrenden Besitz erlaubte. Die ihnen vom König verliehene Macht, die mit
Lehensgütern verbunden war, wurde ab dem 10. Jahrhundert in den Grafenfamilien
erblich. Zudem nahmen mit der Schwächung der königlichen Zentralgewalt seit
Heinrich III. (1039 - 56) die mächtigsten Adelsgeschlechter in der
Nachbarschaft die Grafschaften, deren Familien ausstarben, an sich. So häuften
auch die Andechser zum Komitat Rassos von Dießen die Gilchinger, die Hachinger
und die „Mangfall"-Grafschaft. Auf diese Weise verdichteten sie bis Mitte
des 11. Jahrhunderts ihren altbayerischen zwischen Donau und Alpenrand gelegenen
Besitz und rundeten ihn ab.
Bald griffen die Andechser durch geschickte Heiratspolitik
über ihren altbayerischen Herrschaftsbereich hinaus. Wahrscheinlich war es
schon Otto II., Graf von Wolfratshausen, der im Inntal eine Herrschaft auf der
Grundlage von Eigenbesitz mit dem Verwaltungszentrum Burg Amras errichtet und
wohl auch schon die Grafschaften im Inn- und Pustertal innehatte.
Die Heirat seiner Tochter Adelheit mit dem Grafen Berengar
von Sulzbach brachte das Geschlecht der Andechser in die Nähe der Staufer, denn
die Tochter Berengars, Gertrud, war mit dem späteren König Konrad III. (1138 - 1152) verheiratet. Die neue, gewinnträchtige
Verwandtschaftsbeziehung brachte Otto III. (gest. 1127), dem Sohn Ottos II., auf
dem Reichstag zu Regensburg im März 1121 die Vogtei über das alte
Reichskloster Tegernsee ein, nachdem sein Vorgänger im Amt bei Kaiser Heinrich
V. (1106 - 1125) in Ungnade gefallen war. Außerdem fassten die Andechser durch
die Verbindung Graf Arnolds von Dießen, der als Hallgraf wohl auch über die
Salinen von Reichenhall verfügte, mit der Erbtochter des Grafen von
Schweinfurt, Gisela, in Franken Fuß.
Nach der Teilung des Gesamtbesitzes des Grafen Arnold unter
seine beiden Söhne Gebhard und Berthold war letzterer der erfolgreichere.
Während Gebhard die Güter am Ammersee, den Besitz am Inn und die
Hallgrafschaft erbte und als Stammvater der Grafen von Wasserburg der Begründer
einer Andechser Seitenlinie wurde, verstand es Graf Berthold durch seine Heirat
mit Sophie, der Tochter des Markgrafen Poppo I. von Istrien, den Grundstock für
die Besitzungen des Hauses Andechs in Krain, Steiermark und Kärnten, also im
Ostalpenraum zu bilden. In Altbayern kam im z. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts
nach dem Aussterben der gräflichen Familie der Sigimare zudem die Vogtei über
das Kloster Benediktbeuren in die Hände Betholds.
Fassen wir zusammen: Zwei wichtige Vogteien, ein beachtlicher
Güterbesitz in Altbayern, in den östlichen Alpenländern, im Inntal und in
Frauken hatte die Andechser um die Mitte des 12. Jahrhunderts zu einem sehr einflussreichen
Adelsgeschlecht im Reich gemacht.
Schon im 11. Jahrhundert hatten sich die Andechser in zwei
Linien geteilt und getrennte Herrschaftsmittelpunkte geschaffen, den einen auf
der wahrscheinlich neu erbauten Burg Andechs, den anderen auf dem Herrensitz
Wolfratshausen am Zusammenfluss von Loisach und Isar. Der ursprüngliche
Stammsitz der Familie auf dem Schönenberg bei Dießen wurde dabei zwar
aufgegeben, aber der Zusammenhalt des Andechser Grafengeschlechts blieb
bestehen, eine Familienbindung, die durch die gemeinsame Stiftung eines Klosters am Ort des ursprünglichen
Stammsitzes in Dießen dokumentiert ist. Mit der Gründung dieses Doppelklosters
für den Reformorden der Augustinerchorherrn schufen die Andechser dort als
neuen ideellen Mittelpunkt ein Hauskloster, das Grablege und
Versorgungseinrichtung für Söhne und Töchter der erwiesenermaßen sehr
fertilen Stifterfamilie zugleich wurde.
Mit dem Erlöschen der Wolfratshausener Linie, als Graf
Heinrich II. am 2. Mai 1157 kinderlos starb, fiel der Besitz an den Andechser
Familienzweig zurück. Dieser konnte seine Güter und Rechte nach dem Aussterben
des Geschlechts der Grafen von Formbach zudem um die Inngrafschaften Neuburg und
Schärding sowie die Grafschaft Windberg nördlich der Donau erweitern. Eine
Reihe von Märkten wie Neuburg, Wernstein, Schärding, Griesbach und
Rotthalmünster und die Vogtei über das Kloster Formbach kamen hinzu.
Neben glücklichen Heiratsverbindungen war es vor allem die
Nähe zu den Staufern, die diesen Zuwachs an Machtpotential zuwege brachte. Dank
der Beziehung zum Kaiserhaus wurde auch der Andechser Otto VI. (gest. 1196) zum
Bischof von Brixen erhoben. Sicherlich mit Billigung Friedrich Barbarossas
(1152-1190) gab er seinem Bruder Berthold III. Grafschaftsrechte im Inn- und
Pustertal sowie Vogteien über sein Hochstift und das Kloster Neustift bei
Brixen weiter. Nun kontrollierte das Haus Andechs den Weg von Süden über das
Eisacktal und den Brenner bis ins nördliche Alpenvorland hinein. Die Folge war,
dass eine Reihe von Angehörigen freier Familien in diesem Gebiet als
Ministerialen in die Dienste der Andechser traten, die Herren von Freundsberg
und Rotenburg, von Matrei und Stubai, von Rischon, Aufhofen, Welsberg und
andere. Obwohl Otto VI. um 1170 auf sein Bistum verzichtete und später als Otto
II. auf dem Bischofsstuhl des Bistums Bamberg saß, behielt Graf Berthold III.
seine Rechte am Brenner und gründete um das Jahr 1180 an dem so wichtigen Übergang am Inn in der Nähe des alten
Familienzentrums Amras den Handelsplatz Innsbruck.
Inzwischen hatte der Andechser 1173 vom Kaiser den Titel
Markgraf von Istrien erhalten, nachdem der bisherige Inhaber aus dem Geschlecht
der Spanheimer kinderlos gestorben war.
Betrachten wir die verfassungsrechtliche Seite der bisherigen
Entwicklung der Andechser Familie: Begonnen hatte sie als ein
Amtsgrafengeschlecht unter vielen in der Karolingerzeit, hatte Eigenbesitz
hinzugewonnen, der sich keineswegs mit den Grafschaftsgrenzen deckte, und
Erbvogteien über sich ständig vermehrenden Kirchenbesitz angefügt. Dann hatte
es sich im harten Verdrängungswettbewerb mit anderen Adelsfamilien benachbarte
Grafschaften eingegliedert. So entstand, wie überall im Reich, ein vielfältig
verzahntes Herrschafts- und Rechtsgeflecht. Die alten Grafschaftsgrenzen lösten
sich auf, und neue Herrschaftszentren, meist Burgen, entstanden, nach denen sich
Zweige und Linien der Adelsfamilien benannten, bei den hier behandelten Grafen
von Dießen die Sitze Andechs und Wolfratshausen. Ideeller Bezugspunkt blieb das
Hauskloster Dießen. Schließlich traten Adelsfamilien aus den Alpentälern, aus
Franken und andern Bereichen des Andechser Herrschaftsgebiets als Ministeriale
in den Dienst der Familie und halfen mit, dass diese auf den besten Weg gebracht
wurde, ein Territorium auszubilden. Wenn dies nicht geschah, so lag das unter
anderem an dem engen Bezug zum staufischen Herrscherhaus. Die unmittelbare
Königsnähe führte die Andechs-Meranier auf den Höhepunkt ihrer Macht und
ihres Einflusses, in ihr lag aber auch eine wichtige Ursache für ihren
Niedergang.
Zunächst aber eröffnete der Titel eines Markgrafen von
Istrien, obwohl nicht mit Besitz und Rechten verbunden, den Andechsern den
Zugang zum Reichsfürstenstand. Dieser umfasste Reichsbischöfe, Reichsäbte,
Herzöge und Inhaber herzoggleicher Herrschaften und ermöglichte es seinen
Mitgliedern, die Reichspolitik aktiv mitzugestalten.
Die Zugehörigkeit der Andechser zur Oberschicht des Reiches
bestätigte sich, als Berthold IV. wohl Ende 1180 den Titel Herzog von Meranien,
Dalmatien und Kroatien erhielt, eines an Istrien grenzenden Gebietes an der
nordöstlichen Adriaküste. Der gängigen Meinung der Forschung zufolge geschah
dies als Ausgleich für die Übertragung des bayerischen Herzogtums an Pfalzgraf
Otto von Wittelsbach im September 1180 nach dem Sturz des Welfen Heinrich des
Löwen, die durchaus den Aspekt der Zurücksetzung der Andechser gegenüber den
in Altbayern konkurrierenden Wittelsbachern enthielt. Unter reichspolitischen
Vorzeichen ist aber der Titelverleihung an die Andechser auch eine positive
Seite abzugewinnen, denn sie kontrollierten nun die wichtigen Alpenverbindungen
nach Italien, vor allem, wenn man weitere Gebietsgewinne des Hauses einbezieht.
Nach dem Tod Bertholds IV. gab nämlich König Philipp dem Andechser Otto VII.
(gest. 1234) als Anerkennung für dessen unbedingte Treue im Kampf gegen den
Welfen, König Otto IV, seine Nichte Beatrix zur Frau und damit die
Freigrafschaft Burgund samt der Pfalzgrafenwürde. Außerdem wurde der Bruder
des Meranierherzogs, der Erzbischof des ungarischen Bistum Kolocsa, Berthold V.
(gest. 1251), 1218 Patriarich von Aquileja. Ein letztes Mal erfuhr das
Geschlecht der Andechs-Meranier damit eine Machterweiterung im Alpenraum.
Auf einem Höhepunkt ihrer Macht standen die Andechs-Meranier
aber schon unter Berthold IV. (gest. 1204). Als wichtige Stütze des staufischen
Königtums führte er beim Kreuzzug Barbarossas 1190 einen der vier Heeresteile
an und war unter den wenigen, die nach dem Tod des Kaisers im Fluss Saleph
weiterzogen und alle Strapazen der Kreuzfahrt ins Heilige Land durchstanden.
Nach seiner Rückkehr besuchte er auch die meisten Reichstage Kaiser Heinrichs
VI. Nach dessen Tod 1197 und der Doppelwahl von 1198 blieben er und seine vier
Söhne Heinrich, Otto, Ekbert und Berthold konsequent der staufischen Sache treu
und trugen maßgeblich zum Erfolg Philipps von Schwaben (1198 - 1208) gegen Otto
IV. (1198 1215) bei.
Das hohe Ansehen Bertholds IV. wurde in seiner Heiratspolitik
überdeutlich. Seine Töchter mussten sich nicht mehr wie die seiner Vorgänger
mit Ehemännern aus deutschen Grafenhäusern begnügen, sondern sie heirateten
in europäische Fürstenhöfe ein. Hedwig ehelichte den Piastenfürsten Heinrich
1. von Schlesien, Agnes vermählte sich, allerdings unter recht unglücklichen
Umständen, mit König Philipp II. von Frankreich, Gertrud mit dem späteren
ungarischen König Andreas II.
![](Bilder/Karte1.GIF)
Zeichnung: Anton Köcheler
In verschiedenen Formen hatten sich also die Andechser Macht
und Einfluss verschafft: durch Erwerb einer konkreten Machtbasis in Form von
Besitz und Rechten, in der Aneignung von prestigefördernden Titeln und
schließlich durch das Knüpfen von verwandtschaftlichen Bindungen zu
europäischen Fürsten- und Königshäusern.
Einen glanzvollen Ausdruck ihrer hohen Stellung im Reich
sollte die großartig inszenierte Hochzeit zwischen Beatrix und Herzog Otto VII.
am Hof seines Bruders Ekbert in Bamberg bieten. Dort versammelte sich am 21.
Juli 1208 der staufertreue Adel, um in Anwesenheit des Königs zu feiern. Doch
das Fest endete in einer Katastrophe. König Philipp wurde im Palast des
Bamberger Bischofs von Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ermordet, eine
Privatrache, vielleicht auch Teil einer Verschwörung. Jedenfalls gerieten die
Meranierbrüder Ekbert und Heinrich in den Verdacht der Mitwisserschaft und
verfielen wie der Täter selbst der Reichsacht, das hieß, sie verloren ihren
ganzen Besitz, alle Rechte und Einkünfte: Sie waren fried- und rechtlos.
Plötzlich sahen sich die beiden rivalisierenden Familien,
die Wittelsbacher und die Andechs-Meranier, im gleichen Boot sitzen, und es
charakterisiert jede von ihnen, wie sie auf die Acht reagierten. Während Herzog
Ludwig I. von Bayern (1183 - 1231), der Vetter des in Jahresfrist gefangenen und
sogleich umgebrachten Königsmörders, ohne große Bedenken auf die Seite des
Gegenkönigs Otto IV. wechselte und so nicht nur den gesamten wittelsbachischen
Familienbesitz rettete, sondern auch die Lehen und den Eigenbesitz der Andechs-Meranier in Oberbayern an
sich brachte, führten die zunächst geflohenen Meranier Ekbert und Heinrich
einen zähen Kampf um ihre Rehabilitierung. Erst als die Stauferpartei den
jungen Friedrich II. (1212 -1250) 1211 mit Unterstützung des Papstes Innozenz III. gegen Otto IV. zum deutschen König machen wollte und dafür Unterstützung
brauchte, konnte Ekbert wieder auf den Bamberger Bischofssitz zurückkehren.
Schwieriger gestaltete sich die Rechtfertigung Heinrichs. Hier gelang ein
Ausgleich mit dem bayerischen Herzog, der zwar Bamberger Kirchengüter an der
Donau kostete, aber den Markgrafentitel und Besitz im altbayerischen Raum wie
Wolfratshausen, Starnberg und Dießen, vielleicht auch schon Güter am unteren
Inn an Heinrich zurückbrachte; die Burg Andechs dagegen wird im Vollzug der
Reichsacht wohl vollständig zerstört worden sein. Die Vogtei über die
Klöster Benediktbeuren und Tegernsee erhielten die Andechser ebenfalls wieder.
Nach dem Tod Heinrichs 1228, dessen Ehe kinderlos geblieben war, fiel der
Hauptteil seines Erbes an seinen Bruder Herzog Otto VII., der nie in den
Verdacht der Mitwissenschaft am Königsmord von 1208 geraten und daher auf
seinen fränkischen Besitzungen unbehelligt geblieben war. Dieser konnte so
seinem Sohn Otto VIII. (gest. 1248) nicht nur die überschriebenen Güter seines
Bruders, sondern auch seine eigenen in Bayern und im Alpenraum sowie die Mitgift
seiner Frau, die Freigrafschaft Burgund, vererben. Wegen des Besitzes um Ammer-
und Starnberger See geriet dieser aber - alte Tradition - mit dem Wittelsbacher
Otto II. (1231-1253) in Konflikt. Um den Kampf durchzustehen, musste er 1242
sogar die Freigrafschaft an den Herzog von Burgund verpfänden. Kurz vor seinem
Tod wurde er zudem an die Seite der Reichsopposition gedrängt, als 1246 die
Wittelsbacher zu Friedrich II. übertraten. Der Seitenwechsel kostete ihn unter
anderem die Grafschaft Schärding an der Innmündung. Trotzdem verlor er den
Andechser und Wolfratshausener Besitz nach einer erbitterten Fehde an die
Wittelsbacher. Dafür sicherte er sich durch die Heirat mit Elisabeth, der
Tochter des Grafen Albert III. von Tirol, durch einen erst in den 40er Jahren geschlossenen
Erbvertrag einen Teil von dessen Hinterlassenschaft. Lange konnte sich Otto
dieses Erfolges nicht erfreuen, denn er starb ohne direkte Nachkommen am 19.
Juni 1248 auf der Burg Niesten und wurde wie sein Vorgänger im neuen
Hauskloster Langheim begraben.
Mit dem Tod Ottos erlosch das Geschlecht der
Andechs-Meranier. Das Erbe teilten seine fünf Schwestern unter sich auf: Die
Freigrafschaft Burgund erhielt Alice, die Graf Hugo von Chalon geheiratet hatte,
die Grafschaft Krain, Agnes, die Gemahlin Herzog Ulrichs III. von Kärnten, den
fränkischen Besitz übernahmen die übrigen drei Schwestern Beatrix, Margarethe
und Elisabeth, auf längere Sicht die Bamberger Bischöfe und die fränkischen
Zollern. Die bayerischen Güter und die Grafschaft Schärding holten sich die
Wittelsbacher, die „im Gebirge" gelegenen Güter der Andechser fielen an
den früheren Vormund und späteren Schwiegervater Ottos VIII., den Grafen von
Tirol.
Worin lagen nun die Ursachen, dass die Andechs-Meranier nicht
wie die Wittelsbacher oder die Grafen von Tirol ein eigenes Territorium
ausbilden konnten, obwohl sie auf dem Weg dazu waren, statt dessen 1248 aus der
Geschichte verschwanden?
Sicher spielte ihre Verstrickung in die Reichspolitik eine
Rolle, die sie zu hohem Einfluss führte, aber auch in die Reichsacht mit den
erwähnten schlimmen Folgen trieb. Vor allem das geradlinige Festhalten am staufischen
Herrscherhaus schränkte die Beweglichkeit ein, die nötig gewesen
wäre, um in der turbulenten Zeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
für das eigene Bestehen entscheidenden Gewinn ziehen zu können. Auch gelang es
dem Geschlecht nicht, ein geschlossenes Herrschaftsgebiet zu erkämpfen. Statt
dessen verzettelte es sich zu sehr im Erwerb von Streu- und Inselbesitz, mit dem
es sich eine Vielzahl von Querelen mit benachbarten Adelshäusern einhandelte.
Hier hätten die Meranier von den Wittelsbachern lernen können. Durch dieses
clevere Herzogshaus wurden sie aus ihren Stammlanden verdrängt. Trotzdem wäre der Aufbau eines
geschlossenen Territoriums im heutigen Oberfranken aus den meranischen Gütern,
auf die sich Otto Il. zurückzog, wohl möglich gewesen, wenn die Kette der
Generationenfolge mit dem Tod dieses letzten, noch sehr jungen Meranierherzogs
1248 nicht abgerissen wäre.
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