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Titel
Inhalt

Vorwort

Die Andechs-
Meranier

Die Andechs-
Meranier
in Franken:

Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7

Literatur

Karte Europa

Karte Franken

 

Stammtafel

Abbil-
dungen:

Bbger Dom
Plassenburg
Niesten

 

Gerhard Arneth

DIE ANDECHS - MERANIER:

DER AUFSTIEG EINER GRAFENFAMILIE  
ZUM FÜRSTENGESCHLECHT MIT EUROPÄISCHER BEDEUTUNG 

Manch einer, der gelegentlich eines Italienurlaubs die Brennerroute nimmt, hält vielleicht bei der Überquerung der Alpen kurz inne, um einen Abstecher etschtalaufwärts nach Meran zu machen. Dort findet er zwar die ruinöse Burg Tirol, den ehemaligen Stammsitz der Tiroler Grafen, ihm wird aber kaum ein Zeugnis des Fürstengeschlechts der Andechs-Meranier begegnen, denn diese im Hochmittelalter so bedeutende Familie hatte zu der Stadt Meran kaum eine nennenswerte Beziehung, obwohl ihr letzter Spross mit einer Tiroler Grafentochter verheiratet war. Weder ist der Name „Meranier" von der Stadt Meran abgeleitet, noch besaßen die Andechser dort Güter oder Lehen.

Die Ursprünge der Andechser auf die bayerischen Luitpoldinger oder gar auf das zwischen Lech, Isar und Amper ansässige Uradelsgeschlecht der „HLIOSI" zurückführen zu wollen hält keiner historischen Überprüfung stand. Als legendenumwobener Gründer gilt ein Graf Rasso, der sich um die Befreiung des Heiligen Landes Verdienste erworben, einen großen Schatz von Reliquien mit nach Hause gebracht, und, um für sie eine würdige Aufbewahrungsstätte zu schaffen, 954 in Grafrath an der Amper ein Kloster gegründet haben soll, in dem er auch begraben liege. Sicher belegt ist das Geschlecht der Andechser erst seit dem 11. Jahrhundert in Güterverzeichnissen süddeutscher Klöster und Domstifte oder in Nennungen von einzelnen Mitgliedern der Familie in Königs- oder Kaiserurkunden. Insbesondere enthalten Totenbücher des von den Andechsern Anfang des 12. Jahrhunderts gegründeten Klosters Dießen frühe Namen der Stifterfamilie, ohne sie genauer zu datieren.

Stammtafel der Andechs-Meranier

Der Aufstieg der Andechser hatte zwei wichtige Voraussetzungen: Sie konnten einen beachtlichen Grundbesitz zwischen oberen Lech und oberer Isar sowie um Erding und Ebersberg, im II. Jahrhundert vielleicht auch schon am Inn um Wasserburg, teils als Eigenbesitz (Allod), teils als Lehen samt den damit verbundenen Rechten an sich bringen. Viel wichtiger aber wurde, dass sie Inhaber gräflicher Rechte waren. Nach der seit der Karolingerzeit bestehenden Grafschaftsorganisation hatte nämlich der Graf als Stellvertreter des Königs neben anderen übertragenen Befugnissen als Vogt die Gerichtsbarkeit über die geistlichen Grundherrn, was ihm den Zugriff auf deren sich ständig vermehrenden Besitz erlaubte. Die ihnen vom König verliehene Macht, die mit Lehensgütern verbunden war, wurde ab dem 10. Jahrhundert in den Grafenfamilien erblich. Zudem nahmen mit der Schwächung der königlichen Zentralgewalt seit Heinrich III. (1039 - 56) die mächtigsten Adelsgeschlechter in der Nachbarschaft die Grafschaften, deren Familien ausstarben, an sich. So häuften auch die Andechser zum Komitat Rassos von Dießen die Gilchinger, die Hachinger und die „Mangfall"-Grafschaft. Auf diese Weise verdichteten sie bis Mitte des 11. Jahrhunderts ihren altbayerischen zwischen Donau und Alpenrand gelegenen Besitz und rundeten ihn ab.

Bald griffen die Andechser durch geschickte Heiratspolitik über ihren altbayerischen Herrschaftsbereich hinaus. Wahrscheinlich war es schon Otto II., Graf von Wolfratshausen, der im Inntal eine Herrschaft auf der Grundlage von Eigenbesitz mit dem Verwaltungszentrum Burg Amras errichtet und wohl auch schon die Grafschaften im Inn- und Pustertal innehatte.

Die Heirat seiner Tochter Adelheit mit dem Grafen Berengar von Sulzbach brachte das Geschlecht der Andechser in die Nähe der Staufer, denn die Tochter Berengars, Gertrud, war mit dem späteren König Konrad III.  (1138 - 1152) verheiratet. Die neue, gewinnträchtige Verwandtschaftsbeziehung brachte Otto III. (gest. 1127), dem Sohn Ottos II., auf dem Reichstag zu Regensburg im März 1121 die Vogtei über das alte Reichskloster Tegernsee ein, nachdem sein Vorgänger im Amt bei Kaiser Heinrich V. (1106 - 1125) in Ungnade gefallen war. Außerdem fassten die Andechser durch die Verbindung Graf Arnolds von Dießen, der als Hallgraf wohl auch über die Salinen von Reichenhall verfügte, mit der Erbtochter des Grafen von Schweinfurt, Gisela, in Franken Fuß.

Nach der Teilung des Gesamtbesitzes des Grafen Arnold unter seine beiden Söhne Gebhard und Berthold war letzterer der erfolgreichere. Während Gebhard die Güter am Ammersee, den Besitz am Inn und die Hallgrafschaft erbte und als Stammvater der Grafen von Wasserburg der Begründer einer Andechser Seitenlinie wurde, verstand es Graf Berthold durch seine Heirat mit Sophie, der Tochter des Markgrafen Poppo I. von Istrien, den Grundstock für die Besitzungen des Hauses Andechs in Krain, Steiermark und Kärnten, also im Ostalpenraum zu bilden. In Altbayern kam im z. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts nach dem Aussterben der gräflichen Familie der Sigimare zudem die Vogtei über das Kloster Benediktbeuren in die Hände Betholds.

Fassen wir zusammen: Zwei wichtige Vogteien, ein beachtlicher Güterbesitz in Altbayern, in den östlichen Alpenländern, im Inntal und in Frauken hatte die Andechser um die Mitte des 12. Jahrhunderts zu einem sehr einflussreichen Adelsgeschlecht im Reich gemacht.

Schon im 11. Jahrhundert hatten sich die Andechser in zwei Linien geteilt und getrennte Herrschaftsmittelpunkte geschaffen, den einen auf der wahrscheinlich neu erbauten Burg Andechs, den anderen auf dem Herrensitz Wolfratshausen am Zusammenfluss von Loisach und Isar. Der ursprüngliche Stammsitz der Familie auf dem Schönenberg bei Dießen wurde dabei zwar aufgegeben, aber der Zusammenhalt des Andechser Grafengeschlechts blieb bestehen, eine Familienbindung, die durch die gemeinsame Stiftung eines Klosters am Ort des ursprünglichen Stammsitzes in Dießen dokumentiert ist. Mit der Gründung dieses Doppelklosters für den Reformorden der Augustinerchorherrn schufen die Andechser dort als neuen ideellen Mittelpunkt ein Hauskloster, das Grablege und Versorgungseinrichtung für Söhne und Töchter der erwiesenermaßen sehr fertilen Stifterfamilie zugleich wurde.

Mit dem Erlöschen der Wolfratshausener Linie, als Graf Heinrich II. am 2. Mai 1157 kinderlos starb, fiel der Besitz an den Andechser Familienzweig zurück. Dieser konnte seine Güter und Rechte nach dem Aussterben des Geschlechts der Grafen von Formbach zudem um die Inngrafschaften Neuburg und Schärding sowie die Grafschaft Windberg nördlich der Donau erweitern. Eine Reihe von Märkten wie Neuburg, Wernstein, Schärding, Griesbach und Rotthalmünster und die Vogtei über das Kloster Formbach kamen hinzu.

Neben glücklichen Heiratsverbindungen war es vor allem die Nähe zu den Staufern, die diesen Zuwachs an Machtpotential zuwege brachte. Dank der Beziehung zum Kaiserhaus wurde auch der Andechser Otto VI. (gest. 1196) zum Bischof von Brixen erhoben. Sicherlich mit Billigung Friedrich Barbarossas (1152-1190) gab er seinem Bruder Berthold III. Grafschaftsrechte im Inn- und Pustertal sowie Vogteien über sein Hochstift und das Kloster Neustift bei Brixen weiter. Nun kontrollierte das Haus Andechs den Weg von Süden über das Eisacktal und den Brenner bis ins nördliche Alpenvorland hinein. Die Folge war, dass eine Reihe von Angehörigen freier Familien in diesem Gebiet als Ministerialen in die Dienste der Andechser traten, die Herren von Freundsberg und Rotenburg, von Matrei und Stubai, von Rischon, Aufhofen, Welsberg und andere. Obwohl Otto VI. um 1170 auf sein Bistum verzichtete und später als Otto II. auf dem Bischofsstuhl des Bistums Bamberg saß, behielt Graf Berthold III. seine Rechte am Brenner und gründete um das Jahr 1180 an dem so wichtigen Übergang am Inn in der Nähe des alten Familienzentrums Amras den Handelsplatz Innsbruck.

Inzwischen hatte der Andechser 1173 vom Kaiser den Titel Markgraf von Istrien erhalten, nachdem der bisherige Inhaber aus dem Geschlecht der Spanheimer kinderlos gestorben war.

Betrachten wir die verfassungsrechtliche Seite der bisherigen Entwicklung der Andechser Familie: Begonnen hatte sie als ein Amtsgrafengeschlecht unter vielen in der Karolingerzeit, hatte Eigenbesitz hinzugewonnen, der sich keineswegs mit den Grafschaftsgrenzen deckte, und Erbvogteien über sich ständig vermehrenden Kirchenbesitz angefügt. Dann hatte es sich im harten Verdrängungswettbewerb mit anderen Adelsfamilien benachbarte Grafschaften eingegliedert. So entstand, wie überall im Reich, ein vielfältig verzahntes Herrschafts- und Rechtsgeflecht. Die alten Grafschaftsgrenzen lösten sich auf, und neue Herrschaftszentren, meist Burgen, entstanden, nach denen sich Zweige und Linien der Adelsfamilien benannten, bei den hier behandelten Grafen von Dießen die Sitze Andechs und Wolfratshausen. Ideeller Bezugspunkt blieb das Hauskloster Dießen. Schließlich traten Adelsfamilien aus den Alpentälern, aus Franken und andern Bereichen des Andechser Herrschaftsgebiets als Ministeriale in den Dienst der Familie und halfen mit, dass diese auf den besten Weg gebracht wurde, ein Territorium auszubilden. Wenn dies nicht geschah, so lag das unter anderem an dem engen Bezug zum staufischen Herrscherhaus. Die unmittelbare Königsnähe führte die Andechs-Meranier auf den Höhepunkt ihrer Macht und ihres Einflusses, in ihr lag aber auch eine wichtige Ursache für ihren Niedergang.

Zunächst aber eröffnete der Titel eines Markgrafen von Istrien, obwohl nicht mit Besitz und Rechten verbunden, den Andechsern den Zugang zum Reichsfürstenstand. Dieser umfasste Reichsbischöfe, Reichsäbte, Herzöge und Inhaber herzoggleicher Herrschaften und ermöglichte es seinen Mitgliedern, die Reichspolitik aktiv mitzugestalten.

Die Zugehörigkeit der Andechser zur Oberschicht des Reiches bestätigte sich, als Berthold IV. wohl Ende 1180 den Titel Herzog von Meranien, Dalmatien und Kroatien erhielt, eines an Istrien grenzenden Gebietes an der nordöstlichen Adriaküste. Der gängigen Meinung der Forschung zufolge geschah dies als Ausgleich für die Übertragung des bayerischen Herzogtums an Pfalzgraf Otto von Wittelsbach im September 1180 nach dem Sturz des Welfen Heinrich des Löwen, die durchaus den Aspekt der Zurücksetzung der Andechser gegenüber den in Altbayern konkurrierenden Wittelsbachern enthielt. Unter reichspolitischen Vorzeichen ist aber der Titelverleihung an die Andechser auch eine positive Seite abzugewinnen, denn sie kontrollierten nun die wichtigen Alpenverbindungen nach Italien, vor allem, wenn man weitere Gebietsgewinne des Hauses einbezieht. Nach dem Tod Bertholds IV. gab nämlich König Philipp dem Andechser Otto VII. (gest. 1234) als Anerkennung für dessen unbedingte Treue im Kampf gegen den Welfen, König Otto IV, seine Nichte Beatrix zur Frau und damit die Freigrafschaft Burgund samt der Pfalzgrafenwürde. Außerdem wurde der Bruder des Meranierherzogs, der Erzbischof des ungarischen Bistum Kolocsa, Berthold V. (gest. 1251), 1218 Patriarich von Aquileja. Ein letztes Mal erfuhr das Geschlecht der Andechs-Meranier damit eine Machterweiterung im Alpenraum.

Auf einem Höhepunkt ihrer Macht standen die Andechs-Meranier aber schon unter Berthold IV. (gest. 1204). Als wichtige Stütze des staufischen Königtums führte er beim Kreuzzug Barbarossas 1190 einen der vier Heeresteile an und war unter den wenigen, die nach dem Tod des Kaisers im Fluss Saleph weiterzogen und alle Strapazen der Kreuzfahrt ins Heilige Land durchstanden. Nach seiner Rückkehr besuchte er auch die meisten Reichstage Kaiser Heinrichs VI. Nach dessen Tod 1197 und der Doppelwahl von 1198 blieben er und seine vier Söhne Heinrich, Otto, Ekbert und Berthold konsequent der staufischen Sache treu und trugen maßgeblich zum Erfolg Philipps von Schwaben (1198 - 1208) gegen Otto IV. (1198 1215) bei.

Das hohe Ansehen Bertholds IV. wurde in seiner Heiratspolitik überdeutlich. Seine Töchter mussten sich nicht mehr wie die seiner Vorgänger mit Ehemännern aus deutschen Grafenhäusern begnügen, sondern sie heirateten in europäische Fürstenhöfe ein. Hedwig ehelichte den Piastenfürsten Heinrich 1. von Schlesien, Agnes vermählte sich, allerdings unter recht unglücklichen Umständen, mit König Philipp II. von Frankreich, Gertrud mit dem späteren ungarischen König Andreas II.

Zeichnung: Anton Köcheler

In verschiedenen Formen hatten sich also die Andechser Macht und Einfluss verschafft: durch Erwerb einer konkreten Machtbasis in Form von Besitz und Rechten, in der Aneignung von prestigefördernden Titeln und schließlich durch das Knüpfen von verwandtschaftlichen Bindungen zu europäischen Fürsten- und Königshäusern.

Einen glanzvollen Ausdruck ihrer hohen Stellung im Reich sollte die großartig inszenierte Hochzeit zwischen Beatrix und Herzog Otto VII. am Hof seines Bruders Ekbert in Bamberg bieten. Dort versammelte sich am 21. Juli 1208 der staufertreue Adel, um in Anwesenheit des Königs zu feiern. Doch das Fest endete in einer Katastrophe. König Philipp wurde im Palast des Bamberger Bischofs von Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ermordet, eine Privatrache, vielleicht auch Teil einer Verschwörung. Jedenfalls gerieten die Meranierbrüder Ekbert und Heinrich in den Verdacht der Mitwisserschaft und verfielen wie der Täter selbst der Reichsacht, das hieß, sie verloren ihren ganzen Besitz, alle Rechte und Einkünfte: Sie waren fried- und rechtlos.

Plötzlich sahen sich die beiden rivalisierenden Familien, die Wittelsbacher und die Andechs-Meranier, im gleichen Boot sitzen, und es charakterisiert jede von ihnen, wie sie auf die Acht reagierten. Während Herzog Ludwig I. von Bayern (1183 - 1231), der Vetter des in Jahresfrist gefangenen und sogleich umgebrachten Königsmörders, ohne große Bedenken auf die Seite des Gegenkönigs Otto IV. wechselte und so nicht nur den gesamten wittelsbachischen Familienbesitz rettete, sondern auch die Lehen und den Eigenbesitz der Andechs-Meranier in Oberbayern an sich brachte, führten die zunächst geflohenen Meranier Ekbert und Heinrich einen zähen Kampf um ihre Rehabilitierung. Erst als die Stauferpartei den jungen Friedrich II. (1212 -1250) 1211 mit Unterstützung des Papstes Innozenz III. gegen Otto IV. zum deutschen König machen wollte und dafür Unterstützung brauchte, konnte Ekbert wieder auf den Bamberger Bischofssitz zurückkehren. Schwieriger gestaltete sich die Rechtfertigung Heinrichs. Hier gelang ein Ausgleich mit dem bayerischen Herzog, der zwar Bamberger Kirchengüter an der Donau kostete, aber den Markgrafentitel und Besitz im altbayerischen Raum wie Wolfratshausen, Starnberg und Dießen, vielleicht auch schon Güter am unteren Inn an Heinrich zurückbrachte; die Burg Andechs dagegen wird im Vollzug der Reichsacht wohl vollständig zerstört worden sein. Die Vogtei über die Klöster Benediktbeuren und Tegernsee erhielten die Andechser ebenfalls wieder. Nach dem Tod Heinrichs 1228, dessen Ehe kinderlos geblieben war, fiel der Hauptteil seines Erbes an seinen Bruder Herzog Otto VII., der nie in den Verdacht der Mitwissenschaft am Königsmord von 1208 geraten und daher auf seinen fränkischen Besitzungen unbehelligt geblieben war. Dieser konnte so seinem Sohn Otto VIII. (gest. 1248) nicht nur die überschriebenen Güter seines Bruders, sondern auch seine eigenen in Bayern und im Alpenraum sowie die Mitgift seiner Frau, die Freigrafschaft Burgund, vererben. Wegen des Besitzes um Ammer- und Starnberger See geriet dieser aber - alte Tradition - mit dem Wittelsbacher Otto II. (1231-1253) in Konflikt. Um den Kampf durchzustehen, musste er 1242 sogar die Freigrafschaft an den Herzog von Burgund verpfänden. Kurz vor seinem Tod wurde er zudem an die Seite der Reichsopposition gedrängt, als 1246 die Wittelsbacher zu Friedrich II. übertraten. Der Seitenwechsel kostete ihn unter anderem die Grafschaft Schärding an der Innmündung. Trotzdem verlor er den Andechser und Wolfratshausener Besitz nach einer erbitterten Fehde an die Wittelsbacher. Dafür sicherte er sich durch die Heirat mit Elisabeth, der Tochter des Grafen Albert III. von Tirol, durch einen erst in den 40er Jahren geschlossenen Erbvertrag einen Teil von dessen Hinterlassenschaft. Lange konnte sich Otto dieses Erfolges nicht erfreuen, denn er starb ohne direkte Nachkommen am 19. Juni 1248 auf der Burg Niesten und wurde wie sein Vorgänger im neuen Hauskloster Langheim begraben.

Mit dem Tod Ottos erlosch das Geschlecht der Andechs-Meranier. Das Erbe teilten seine fünf Schwestern unter sich auf: Die Freigrafschaft Burgund erhielt Alice, die Graf Hugo von Chalon geheiratet hatte, die Grafschaft Krain, Agnes, die Gemahlin Herzog Ulrichs III. von Kärnten, den fränkischen Besitz übernahmen die übrigen drei Schwestern Beatrix, Margarethe und Elisabeth, auf längere Sicht die Bamberger Bischöfe und die fränkischen Zollern. Die bayerischen Güter und die Grafschaft Schärding holten sich die Wittelsbacher, die „im Gebirge" gelegenen Güter der Andechser fielen an den früheren Vormund und späteren Schwiegervater Ottos VIII., den Grafen von Tirol.

Worin lagen nun die Ursachen, dass die Andechs-Meranier nicht wie die Wittelsbacher oder die Grafen von Tirol ein eigenes Territorium ausbilden konnten, obwohl sie auf dem Weg dazu waren, statt dessen 1248 aus der Geschichte verschwanden?

Sicher spielte ihre Verstrickung in die Reichspolitik eine Rolle, die sie zu hohem Einfluss führte, aber auch in die Reichsacht mit den erwähnten schlimmen Folgen trieb. Vor allem das geradlinige Festhalten am staufischen Herrscherhaus schränkte die Beweglichkeit ein, die nötig gewesen wäre, um in der turbulenten Zeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für das eigene Bestehen entscheidenden Gewinn ziehen zu können. Auch gelang es dem Geschlecht nicht, ein geschlossenes Herrschaftsgebiet zu erkämpfen. Statt dessen verzettelte es sich zu sehr im Erwerb von Streu- und Inselbesitz, mit dem es sich eine Vielzahl von Querelen mit benachbarten Adelshäusern einhandelte. Hier hätten die Meranier von den Wittelsbachern lernen können. Durch dieses clevere Herzogshaus wurden sie aus ihren Stammlanden verdrängt. Trotzdem wäre der Aufbau eines geschlossenen Territoriums im heutigen Oberfranken aus den meranischen Gütern, auf die sich Otto Il. zurückzog, wohl möglich gewesen, wenn die Kette der Generationenfolge mit dem Tod dieses letzten, noch sehr jungen Meranierherzogs 1248 nicht abgerissen wäre.