1600:
Konfessioneller Kampf und humanistische Gelehrsamkeit
Ein Bewohner von Schney, der sich am 22. Dezember 1599
auf dem Weg nach Lichtenfels gemacht hätte, wäre in der eine knappe
Wegstunde entfernten Stadt am Neujahrstag des Jahres 1600 eingetroffen.
Denn im bambergischen Lichtenfels galt nicht derselbe Kalender wie im
ritterschaftlichen Schney.
1582 hatte Papst Gregor XIII. nach jahrelangen
Vorbereitungen eine Kalenderreform verkündet, die nötig geworden war,
weil der Julianische Kalender nicht mit dem astronomischen Jahr
übereinstimmte. Im Laufe der Zeit hatte sich die Differenz auf zehn Tage
aufsummiert. Deshalb verfügte Gregor XIII., dass auf den 4. der 15.
Oktober 1582 folge. In Bamberg führte Bischof Ernst von Mengersdorf (reg.
1583–1591) den reformierten Kalender im November 1583 ein
[60]
.
Die evangelischen Fürsten und Herren lehnten die neue
Zeitrechnung ab, kam sie doch aus Rom. Daher gab es für mehr als ein
Jahrhundert, bis zum Jahr 1700, zwei Kalender in Deutschland: den alten,
an dem die Protestanten festhielten, und den neuen, der davon um zehn Tage
abwich. Gerade in konfessionell gemischten Gebieten wie Franken machte der
Kalenderstreit
[61]
die Unterschiede deutlich, feierten die Protestanten doch die Hochfeste
nicht am selben Tag wie die Katholiken.
Die konfessionellen Gegensätze hatten sich um 1600
zugespitzt
[62]
.
Die reformatorische Bewegung hatte um 1520 die Menschen am Obermain
erfasst; die Masse wandte sich vom Katholizismus ab. Auch wenn der Elan
der neuen Lehre nach wenigen Jahren verebbte, so gelang es doch der alten
Kirche nicht, die Gläubigen zurückzugewinnen. 1552/53 okkupierte
Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach einen erheblichen
Teil des Hochstifts Bamberg, darunter Niesten, Burgkunstadt und später
auch Lichtenfels, und setzte hier evangelische Geistliche ein, falls die
amtierenden Pfarrer und Kapläne nicht ohnehin bereit waren, den
markgräflichen Priestereid zu schwören, der sie auf die Augsburger
Konfession verpflichtete. Auch wenn die Mehrzahl der evangelischen
Geistlichen 1553/54 nach der militärischen Niederlage Albrechts
vertrieben wurde – in den langheimischen Pfarreien Isling, Modschiedel,
Altenkunstadt und Kirchlein sowie in den Pfarreien rechts des Mains
konnten sie sich halten –, so belebte ihr Wirken doch das Gemeindeleben
lutherischer Prägung.
Bis in die 1590er Jahre waren konfessionelle Gegensätze
im Alltag wenig von Belang, zumal auch die fürstbischöflichen Beamten,
bis in die Spitze des Hochstifts hinein, sich großteils zum evangelischen
Glauben bekannten; Entsprechendes galt für die Klöster Banz und
Langheim.
Als erster Reichsfürst wandte der Würzburger Oberhirte
Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573–1617) von 1585 an das ius
reformandi an, das der Augsburger Religionsfrieden den Herrschenden
zugestand: Er stellte seine evangelischen Untertanen vor die Wahl,
katholisch zu werden oder das Land zu verlassen. Darüber hinaus drängte
er seinen jeweiligen Bamberger Amtsbruder, es ihm gleich zu tun.
Doch die Bamberger Fürstbischöfe verhielten sich lange
Zeit reserviert. Ernst von Mengersdorf (reg. 1583–1591) bemühte sich
zwar in seiner Eigenschaft als Landesherr, vom kirchlich zuständigen
Würzburger Bischof immer wieder ermahnt, die evangelischen Pfarrer in
Döringstadt, Altenbanz, Marktzeuln und Marktgraitz abzusetzen; Erfolg
hatte er allerdings nur in Altenbanz. In den übrigen Orten weigerten sich
die Gemeinden, die Kirchentür zu öffnen und den ihnen vorgestellten
katholischen Seelsorger anzunehmen. Gewaltsam einzugreifen, lehnte Ernst
von Mengersdorf jedoch ab, um die evangelischen Nachbarfürsten nicht zu
provozieren.
Erst Fürstbischof Neithard von Thüngen (reg. 1591–1598)
gab dem Drängen Echters nach, brauchte er doch dessen Wohlwollen. Denn
Thüngen wollte seine einträglichste Pfründe, die Würzburger
Dompropstei, behalten, die er als Bischof eigentlich hätte resignieren
müssen; überdies gab sein Lebenswandel zu Bedenken Anlass. So schwenkte
er auf die Linie Echters ein.
Offenbar bewegte er
die Äbte von Banz, Langheim und Michelsberg, zunächst ihre Hintersassen
vor die Wahl zwischen Annahme des katholischen Bekenntnisses und
Emigration zu stellen. Als sich erwies, dass ein – immer wieder
befürchteter – flächendeckender Aufstand nicht ausbrach, begann auch
der Fürstbischof, dieses Verfahren anzuwenden.
Die von Ort zu Ort unterschiedliche Reaktion der
Untertanen schilderte der Scheßlitzer Schuster Hans Zeis in seinem
Hausbuch so: „Haben sich ir viel bekert zum cotolischen Glauben [...].
Aber Steinach, Cronach und Zeuln haben sich greulich gewerd, die jenigen,
so inn meins gnedigen Herrn von Bambergs Namen da hin gesandt worden,
veracht, sie nit inn die Kirchen lassen wöllen, sonder mit wehrenter Hand
angreifen wöllen, also das sie mit Schandt und Spot abzihen müssen,
jdoch lezlich abfallen müssen oder aus meins Herrn Landt zihen müssen.
Zu Staffelstein die haben sich auch mit gewerten Handt zusamen verfügt,
uf die Gesanten auch nichts geben wöllen, haben denich gemüst oder aus
der Stat gemüst.“
[63]
In den meisten Orten hatte die Gegenreformation rasch
Erfolg. Nach einigen Monaten konvertierte die Mehrzahl der Protestanten
zum katholischen Glauben; eine Minderheit entschied sich für die
Auswanderung. Diese Exulanten übersiedelten in benachbarte evangelische
Städte wie Coburg, Kulmbach oder Königsberg, einzelne auch in die
Reichsstädte (Bad) Windsheim und Schweinfurt, die meisten aber in
ritterschaftliche Dörfer. In Schney ließen die Herren von Schaumberg
eigens eine Siedlung für die Zuziehenden errichten, längs der heutigen
Friedrich-Ebert-Straße.
Als besonders widerspenstig erwiesen sich die Frauen. Er
habe einer jeden eine eigene Predigt halten müssen, stöhnte der
Lichtenfelser Pfarrer Michael Lang; mit tausend Männern komme er leichter
zurecht als mit hundert Frauen.
Seine Politik setzte Neithard von Thüngen durch, mochte
das Domkapitel auch Bedenken tragen oder vehement protestieren. Nach
seinem Tod aber wählten die Domherren 1599 seinen profiliertesten
Gegenspieler, den Domdekan Johann Philipp von Gebsattel, zu seinem
Nachfolger. Die evangelischen Untertanen freuten sich über diese
Entscheidung, wussten sie doch, dass Gebsattel Thüngens Vorgehen
abgelehnt hatte. Sie hätten, sagte ein Teuschnitzer Ratsherr bald nach
der Bischofswahl zum Ortspfarrer, einen Herren bekommen, „welcher der
luterischen Religion geneigt“; er werde die Gegenreformation beenden
[64]
.
Trotz mancher Anzeichen für eine Neuorientierung der bischöflichen
Politik vollzog Gebsattel keinen abrupten Kurswechsel. So beauftragte er
1600 seinen Weihbischof und den Domprediger, sich in den Pfarreien des
Hochstifts nach Personen zu erkundigen, die noch nicht katholisch geworden
oder nach ihrer Konversion wieder abgefallen seien, und befahl, streng
gegen sie vorzugehen.
Im Juli 1600 ließ er zum Beispiel den Einwohnern von
Lettenreuth befehlen, innerhalb von vier Wochen katholisch zu werden oder
fortzuziehen. Die Untertanen freilich versetzten – wohl um den Bischof
hinzuhalten –, sie könnten die katholische Religion nicht annehmen. Sie
seien „derselben gantz unberichtet undt [könnten] nicht wiessen, was
dieselbige in sich helt“. Der Bischof solle zuerst einen katholischen
Pfarrer einsetzen, dann würden sie sich „vleissig in die Kirchen
verfugen, die Predig und Gotteß Wordt anhoren undt alßdan [...]
gehorsamblich einstellen“
[65]
.
Einen katholischen Pfarrer in der zuständigen Pfarrei
Marktgraitz einzusetzen, war schon des öfteren versucht worden, doch die
Gemeinde hatte dies meist vereitelt. Zwar hatte Neithard von Thüngen 1598
Erfolg, doch kaum war er am 26. Dezember dieses Jahres gestorben, luden
die Marktgraitzer die Habe des katholischen Pfarrers auf einen Wagen,
trieben den Geistlichen aus dem Dorf und warfen einige Kilometer davon
entfernt, auf freiem Feld, den beladenen Karren um. Anschließend trat der
frühere evangelische Pfarrer sein Amt wieder an. Als er Anfang 1600
abzog, übertrugen die Untertanen die Pfarrstelle kurzerhand wieder einem
evangelischen Geistlichen, bevor eine Kommission aus Bamberg zur Stelle
war, um einen katholischen Priester einzuführen. Im Vorfeld sprach die
Gemeinde sogar Drohungen gegen die fürstbischöflichen Gesandten aus, und
als diese in Marktgraitz eintrafen, weigerten sie sich, mit ihnen zu
sprechen.
Marktgraitz und Marktzeuln opponierten über Jahre
hinweg, entschiedener als fast alle anderen Orte des Hochstifts, gegen die
landesherrliche Gegenreformation. Um sie zum Einlenken zu bewegen,
kündigte der Bischof 1600 sogar an, er wolle persönlich dorthin reisen
und mit den Untertanen im Guten verhandeln, was er allerdings nicht in die
Tat umsetzte. Es blieb dem Nachfolger Gebsattels, dem 1609 gewählten
Johann Gottfried von Aschhausen († 1622), vorbehalten, die evangelischen
Geistlichen aus den beiden Pfarreien endgültig zu vertreiben. Doch auch
ihm gelang es aufgrund des hartnäckigen Widerstands beider Gemeinden nur
zum Teil, die Untertanen zur Annahme des katholischen Glaubens zu bewegen.
Erst 1624 führte Fürstbischof Johann Georg Fuchs von Dornheim (reg. 1623–1633)
unter Einsatz militärischer Gewalt die Gegenreformation hier zum Sieg.
Wenn Gebsattel sich dieser beiden Gemeinden, aber auch
Döringstadts besonders annahm, dann wohl weniger aus rein konfessionellen
Gründen, sondern weil durch den Widerstand der Untertanen seine
fürstliche Reputation in Frage gestellt war. Verstand sich Gebsattel doch
kaum als Oberhirte, vielmehr als Landesherr. Aus diesem Blickwinkel sah er
im Grundsatz eine harte Linie bei der Gegenreformation als schädlich für
das Hochstift an; wie die Mehrheit im Domkapitel favorisierte er eine
allmähliche ,Bekehrung’ seiner Untertanen. Damit aber erregte er den
Unwillen Echters und der Bamberger Protagonisten einer raschen
Gegenreformation und Katholischen Reform.
Gebsattel, dessen Mildtätigkeit und gute Beziehung zu
seinen evangelischen Nachbarfürsten gerühmt wurden, der dagegen
militärische Konflikte mit Echter nicht scheute, zeigte gegenüber seinen
evangelischen Untertanen ein gerüttelt Maß an Duldsamkeit, so dass der
Schwürbitzer Notar Kilian Schauer († 1614), Sohn eines evangelischen
Pfarrers, 1610 reimte:
„Barmhertzigkeit über die Maß
An armen Leuthen übt,
Dergleich nit balt gehöret waß.
Kein Menschen er betrübt
Noch zwang zu frembter Lehr,
Ließ jedem sein Gewissen
Im Glauben unzerrissen,
Der gottseelige Herr.“
[66]
Heftig geißelte Schauer dagegen das Vorgehen der
Bischöfe Neithard von Thüngen und Johann Gottfried von Aschhausen. Ihnen
glich in der Härte des Vorgehens der Abt von Langheim, der gebürtige
Weismainer Johann Bückling (reg. 1592–1608)
[67.
1599 rühmte er sich, er habe 2000 seiner Hintersassen zur Konversion
bewegt. Gegen diejenigen, die am evangelischen Glauben festhielten, wandte
er drastische Zwangsmaßnahmen an. So ließ er 1601 achtzehn Personen
unter einem Vorwand ins Kloster vorladen, um sie hier „in ungehewre,
abschewliche, für Dieb, Mörder und andere Übelthätter verordnete
Gefengknus“
[68]
zu werfen. Einige der Festgenommenen blieben 13 Wochen in Haft, bis sie
schworen, binnen Monatsfrist katholisch zu werden oder fortzuziehen.
Klagen beim Reichskammergericht in Speyer halfen den lutherischen
Hintersassen des Klosters wenig. Der Eifer des Abtes fand selbst in Rom
Anerkennung: 1594 sprach ihm Papst Clemens VIII. sein Lob aus, 1599 der
Generalabt des Zisterzienserordens.
Doch scheute Bückling keineswegs den Kontakt zu
Protestanten. Wenngleich er als Abt eine streng katholische Position
verfocht, so pflegte er doch andererseits im Geist des Humanismus die
überkonfessionelle Gemeinschaft der Gelehrten. Joachim Heinrich Jäck
zufolge war Bückling „ein außerordentlicher Beförderer der Künste
und Wissenschaften, liebte nichts mehr als den Besuch und Umgang gelehrter
Männer, mit welchen er auch den lebhaftesten Schriftenwechsel führte“
[69]
.
Sein Kunstverstand erwies sich 1605 beim Neubau des
Wirtshauses in Hochstadt am Main
[70]
,
das vermutlich nach Plänen des Coburger Malers und Architekten Peter
Sengelaub errichtet wurde; dieser evangelische Künstler illustrierte
1613/14 auch liturgische Handschriften des Klosters
[71]
.
Johann Bückling hatte ab 1580, bereits Priester, an der
Universität Ingolstadt studiert; als erster Langheimer Mönch seit
Jahrzehnten hatte er eine Universität besucht, und dies qualifizierte ihn
wohl nach seiner Rückkehr, die jungen Mönche in Philosophie und
Theologie zu unterrichten. Auch als Abt erwies sich Johann Bückling als
„studiorum Mecoenas“
[72]
,
als Förderer der Wissenschaften, wie ihn der Bamberger Späthumanist
Martin Hofmann (1544–1599) bezeichnete.
Als Lehrer für seine Novizen holte er sich spätestens
1598 den aus Altewalde in Niederschlesien stammenden Johann Cyaneus (1563–1603),
Sohn eines katholischen Geistlichen, nach Langheim
[73]
,
der zuvor als Professor für Poetik am Collegium Ernestinum in Bamberg
gewirkt hatte. 1595 beglückwünschte Cyaneus den Bruder des Abtes, Georg
Bückling, durch ein lateinisches Glückwunschgedicht zur Hochzeit
[74]
.
Im Auftrag des Abtes schilderte er im Jahr darauf die
Entstehungsgeschichte der Wallfahrt Vierzehnheiligen
[75]
in lateinischen Hexametern, formal streng an der „Aeneis“ des Vergil
orientiert und inhaltlich fantasievoll ausschweifend – sogar der Hund,
der den Schäfer Hermann 1445/46 begleitete, erhält einen Namen: „,Harpalus’
(,Räuber’) heißt er, wie einer der Hunde des Actaeon in Ovids
Metamorphosen“. Werner Taegert beurteilt die Absicht des Werkes wie
folgt: „Cyaneus wandte sich an ein humanistisch geschultes – und damit
exklusives – Publikum. Hier konnte er die intime Vergil-Kenntnis
erwarten, die für die rechte Würdigung seiner Leistung unabdingbar war
und ist. Er hielt die Visionen des schlichten Schäfers für würdig, im
Medium der ranghöchsten klassischen Dichtungsgattung verherrlicht,
nachgerade heroisiert zu werden. Damit leistete der Dichter Kultpropaganda
auf einem anspruchsvollen Niveau: Die epische Stilisierung mißt der [...]
Nothelferverehrung [...] den Anspruch erhabener Geltung und Dignität zu.
Das außerordentliche formale Raffinement ist nicht belanglose Etüde,
nicht spielerischer Selbstzweck, sondern gesteigerter Ausdruck der
Huldigung gegenüber den vierzehn Heiligen.“
[76]
Cyaneus war nicht der einzige Literat, der um 1600 in der
Obermainregion zu Hause war oder wenigstens Beziehungen hierher hatte. Das
belegt schon sein Vierzehnheiligen-Werk, zu dem auch zwei junge Langheimer
Mönche, Johann Schreiner († 1610) und Christoph Seyfried († 1616),
beide aus Weismain stammend, lateinische Gedichte beisteuerten.
Ein späthumanistischer Autor wohnte um 1600 in Weismain:
Dr. Lorenz Neydecker († 1607)
[77]
,
der, um 1545 geboren, nach Studium und Lehrtätigkeit in Ingolstadt und
Aufenthalten in Weismain, Kulmbach und Hollfeld, seit ca. 1595 im Haushalt
seiner Schwester lebte. Neydecker verfasste von etwa 1570 an eine
größere Anzahl lateinischer Schriften
[78]
.
Noch in seiner Weismainer Zeit erschienen Werke aus seiner Feder: 1601 in
Mainz und 1604 in Köln. Im Mittelpunkt der Veröffentlichungen stand die
Rhetorik, namentlich für Juristen relevante Reden. So schrieb er ein
rhetorisches Lehrbuch für Juristen sowie eine Stilkritik, in der es
besonders um das Zitieren antiker Autoren ging; ferner analysierte er
Cicero-Reden von rechtlichem Belang. Daneben verfasste er Schriften zu
zivilrechtlichen Problemen, namentlich zu Fragen des Erb- und des
Eherechts.
Der Autor widmete seine Werke verschiedenen
Würdenträgern: dem Fiskal Johann Neydecker († 1579) – einem
entfernten Verwandten
[79]
,
der wie der Autor aus Weismain stammte –, den Äbten von Banz und
Langheim sowie dem Hofer Amtshauptmann Hans Paul von Schaumberg zu Schney
(1522–1589). Die Widmungen waren nicht nur artige Höflichkeiten,
sondern erwiesen sich für den Autor zumeist als recht einträglich.
Der Weismainer Pfarrer Pankraz Volck gratulierte Johann
Bückling 1593 durch ein lateinisches Preisgedicht zur Erlangung der
Abtswürde
[80]
.
Friedrich Müller von Lichtenfels widmete 1583 Fürstbischof Ernst von
Mengersdorf „ein Tractetlein“
[81]
. Philipp Cunovius, der 1597/98
als Schulmeister in Staffelstein nachzuweisen ist
[82]
,
verfasste 1596 die lateinische Inschrift für das Epitaph des fünf Jahre
zuvor verstorbenen Bischofs Ernst
[83]
.
In die Reihe der späthumanistischen Autoren mit Bezug
zur Obermainregion ist Laurentius Creidius (Lorenz Kreid)
[84]
aus Lettenreuth zu zählen. Nachdem er in Wittenberg zusammen mit zwei
Marktzeulnern, den nachmaligen evangelischen Pfarrern Heinrich Bauter und
Christoph Thumler
[85]
,
studiert hatte, wurde er 1579 Rektor zu Treuenbrietzen, 1582 Konrektor,
1588 Rektor des Gymnasiums zu Berlin. Hier ließ er eine Reihe
lateinischer Dichtungen drucken, die, abgesehen von Gelegenheitswerken,
biblische Stoffe behandelten. 1590 wurde er evangelischer Pfarrer im
sächsischen Herzberg.
Erwähnt sei ferner der evangelische Adlige und vormalige
Domherr Veit Ulrich Marschalk von Ebneth († 1625), der in der
Obermainregion begütert war – seinen Staffelsteiner Besitz verkaufte er
1600 dem Bamberger Domkapitel – und als graue Eminenz am Hofe Gebsattels
galt
[86]
.
Er trat zwar nicht als Verfasser hervor, unterhielt aber in seinem neuen
Schloss zu Frensdorf
[87]
eine umfangreiche Bibliothek
[88]
.
1608 entlieh er aus der Banzer Klosterbibliothek ein Werk des Erasmus von
Rotterdam
[89]
.
Der Kontakt zum Kloster Banz kam wohl nicht von
ungefähr, erwies sich doch auch der Banzer Abt als Freund der Musen. Der
Coburger „musicus“ Benedikt Faber sandte ihm 1608 „cantiones“
[90]
;
im selben Jahr schickte der Münchner Hoforganist Rudolph di Lasso, Sohn
des großen Orlando di Lasso, eine Komposition nach Banz
[91]
.
Selbstverständlich wurde der Abt nicht bloß deswegen
bedacht, weil er als kunstverständig galt, sondern weil er auch über die
finanziellen Mittel verfügte, um seiner Anerkennung handfesten Ausdruck
zu verleihen. So ehrte auch Heinrich Zenck aus Scheßlitz, von 1610 bis
1616 Pfarrer von Staffelstein, den Banzer Abt 1611 durch eine „Elegia“
zu dessen Namenstag, nicht ohne um Holz zu bitten
[92]
.
1608 übermittelte der Schneyer Vogt Nikolaus Breithaupt, gebürtig aus
Creuzburg, mit der Tochter des reichsten Lichtenfelsers verheiratet, dem
Prälaten Neujahrsglückwünsche in gewandtem Latein mit griechischen
Einsprengseln
[93]
.
Abt Thomas Bach (reg. 1598–1624), aus Markelsheim im Taubertal gebürtig,
hinterließ sogar ein selbst verfasstes lateinisches Gedicht
[94]
.
Bach sei ein „der Disciplin wol zugethaner Prelat“
gewesen, rühmte ihn sein Nachfolger
[95]
;
tatsächlich aber lebte Bach im Konkubinat mit der Staffelsteiner
Bürgerstochter Margaretha Wagner, die der Staffelsteiner Pfarrer 1612
mokant als „Margaretha abbatissa in Bantz“ bezeichnete
[96]
.
Der Abt hatte mit ihr zwei Söhne, die seinen Familiennamen trugen, und
auch einige Mönche hatten Konkubinen und wurden Väter.
Damit ähnelte Thomas Bach dem Bamberger Fürstbischof
Johann Philipp von Gebsattel, der sieben Kinder hinterließ. Wie dieser
pflegte er freundlichen Umgang mit Herzog Johann Casimir von
Sachsen-Coburg
[97]
,
der ihn mehrfach zum Stahlschießen einlud, und mit der Coburger
Regierung. Der Bruder Johann Casimirs, der Herzog von Sachsen-Eisenach,
schenkte 1598 dem Banzer Abt drei lebende Tiere: ein Wildschein, ein Reh
und ein Kamel
[98]
.
Trotz unübersehbarer Gemeinsamkeiten hatte Abt Thomas
ein schlechtes Verhältnis zu Gebsattel, während er mit dessen
Opponenten, dem aus Weismain stammenden Domprediger und späteren
Weihbischof Friedrich Förner, und mit Bischof Aschhausen in gutem
Einvernehmen stand, trotz seines Lebenswandels, den der Bischof bei einem
bambergischen Pfarrer nicht toleriert hätte
[99]
.
Auch in seiner Religionspolitik erweist sich Thomas Bach
als eigenständig. Einerseits forderte er evangelische Untertanen zur
Konversion oder Auswanderung auf, gebot er seinen Hintersassen die
österliche Beichte und Kommunion, befahl er den Altenbanzern, ihre Kinder
zum katechetischen Unterricht zu schicken, ließ er im Kloster neue
Altäre aufrichten und eine Kapelle bauen. Doch andererseits untersagte er
– ganz und gar ungewöhnlich in der Zeit der katholischen Reform –
seinen Untertanen in Draisdorf, sich an der Wallfahrt der Pfarrei
Döringstadt nach Vierzehnheiligen zu beteiligen, „weiln es dan wegen
Ferne des Wegß ohne Zehrung nich[t] leichtlich außgehet unndt offtermals,
was am Vormittag gebettet, Nachmittag beim Trunck wider verflucht oder
sonsten verderbt wirdt“
[100]
.
Den Klöstern Banz und Langheim stand die
Benediktinerabtei Michelsberg, an deren Spitze mit Johann Müller (reg.
1593–1622)
[101]
ein gebürtiger Weismainer stand, als Kulturträger nicht nach. Martin
Hofmann, Vogt des Benediktinerklosters Michelsberg zu Bamberg
[102]
,
dessen Schwager Hans Blumenschein von 1582 an für wenige Jahre als Vogt
in Lichtenfels amtierte
[103]
,
veröffentlichte 1595 eine Geschichte der Stadt Bamberg und der
Michelsberger Äbte, das er dem Fürstbischof und dem amtierenden Abt
widmete. Darin würdigte er ausführlich den aus Staffelstein stammenden
Abt Andreas Lang (reg. 1483–1503), der selbst schriftstellerisch
hervorgetreten war. Indem er den Landstrich schilderte, aus dem Andreas
Lang hervorgegangen war, lieferte Martin Hofmann das früheste
Staffelberg-Gedicht:
„Est Babebergenses inter
pulcherrima montes
Exit et in longas vallis
utrimque plagas.
Quam super hinc caelo surgens
stat saxea rupes,
Quae vetus a gradibus nomen
adepta tenet.
In medio gelidas aequante
cacumine nubes
Antra per obscuras stant latebrosa vias,
Quae tenuisse ferunt
terrestria numina Sylphes.
Atque sub his auri vim
posuisse locis.
Testis erunt grandes excisi
rupibus arcus,
Testis et antiquae prisca moneta notae.“
Der Bamberger Archivar Michel Hofmann – übrigens
Berater Carl Orffs bei der Textauswahl für die „Carmina Burana“ –
hat die Verse Hofmanns 1956 wie folgt ins Deutsche übertragen:
„Dort inmitten der Höhen des Babenberger Gebirges
Dehnt sich ein herrliches Tal weit durch die Lande dahin,
Himmelan hebt darüber ein Fels die steinerne Stirne,
Nach seinen Staffeln gewiß schon von den Alten benamst.
Hier wo das kühle Gewölk berührt den mittleren Gipfel,
Führt ein finsterer Pfad tief in das Höhlen-Versteck,
Wo nach der Sage des Volks vor Zeiten die Erdgeister
hausten,
Wo sie den goldenen Hort bargen im Innern des Bergs.
So bezeugt es die Wölbung, die breit aus dem Felsen
gemeißelt,
Auch altertümliches Gold, wie es die Vorzeit geprägt.“
[104]
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