Beilagen

Titel

Vorwort

Inhalt

Kap 1

Kap 2

Kap 3

Kap 4

Kap 5

Ausblick

Quellen

4. DAS PROBLEM DER GRENZLAGE

Trotz der optimistischen Anfänge der 50er Jahre zeichnete sich in der regionalen Entwicklung des Grenzlandes immer stärker die Benachteiligung durch die politische Lage ab. Auch wenn sich gegen Ende der 60er Jahre - der Umsatz in der Korbindustrie stieg - ein gewisses Maß an Wohlstand einstellte, wurden diese Jahre von den Regionen des grenznahen Raumes keineswegs als fette Jahre des Wirtschaftswunders erlebt (vgl. Abb. 15).

Die Planungsregion Oberfranken West wurde im Hinblick auf die natürliche und räumliche Bevölkerungsentwicklung zum Abwanderungsgebiet. Ursächlich dafür war zunächst einmal der starke Rückgang der Geburten, der statistisch zu einer Veränderung der Altersstruktur führte. Überlagert und verstärkt wurde die negative Entwicklung von den Wanderungsbewegungen, besonders der jüngeren Generation. In den Jahren 1968-72 verlor die Region 82% der 16- bis 34jährigen. Etwa zwei Drittel der abwandernden jungen Bevölkerung zogen in den Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen, etwa ein Drittel in den Verdichtungsraum München. (24) Ein Ausgleich der Abwanderung durch ausländische Arbeitnehmer fand nicht statt. Die demographischen Verhältnisse der Gemeinde Michelau sind typisch für die Gesamtregion. Nach dem Bevölkerungsanstieg durch die Zuwanderung Heimatvertriebener erlebte der Industrieort eine beharrliche Bevölkerungsabnahme (vgl. Abb. 4 und Abb. 18). Nur durch die Gebietsreform 1977 stieg die Gesamteinwohnerzahl, als die Gemeinden Lettenreuth, Schwürbitz und Neuensee in die Verwaltung von Michelau einbezogen wurden. Der negative Trend blieb jedoch bis Ende der 80er Jahre erhalten; 1987 wurde der Tiefstpunkt erreicht, und die Gemeinde hatte mitsamt der Eingemeindungen nur noch 6368 Einwohner. Dies entspricht 87% der Bevölkerung von 1950 (vgl. Abb. 18).

Die Veränderung der Altersstruktur mit der für die Region typischen Überalterung wird auch in Michelau durch die Zahl der Geburten und Sterbefälle deutlich. Die Zahl der Zuzüge glich die negative Bilanz bis 1987 nicht aus. Die Entleerung der grenznahen Räume hielt bis Ende der 80er Jahre an, so dass die Region zunehmend ins Hintertreffen geriet. Die Zahl der Arbeitsstätten im sekundären Sektor nahm im Zeitraum von 1960 bis 1971 im Landkreis Lichtenfels um 21% ab, in Bayern nur um 14%. Dabei verringerte sich die Zahl der Handwerksbetriebe hier um 11%, dort nur um 6%. Neben diesem Konzentrationsprozess zugunsten größerer Betriebe erfolgte eine Ausweitung des tertiären Sektors. Aber diese Veränderung lief in der Region langsamer ab als in ganz Bayern. (25) Die finanzielle Lage der Betriebe fiel hinter den gesamtbayerischen Durchschnitt zurück, da der Umsatz pro industriebeschäftigtem im Landkreis Lichtenfels um fast ein Zehntel unter dem Landesdurchschnitt lag. Die Investitionsmaßnahmen beliefen sich im Landkreis auf DM 1870 (1972) statt DM 3850 je Beschäftigtem, wie im bayerischen Landesdurchschnitt. Die Industrielöhne und -gehälter erreichten 1973 im Landkreis Lichtenfels nur 88,3% des landesüblichen Einkommens. (26) So ergab sich für die Region zu Beginn der 60er Jahre ein tristes Zukunftsbild, das bei schwindender Wirtschaftskraft immer schärfer die Benachteiligung durch die Grenzlage verdeutlichte.

Um die Arbeitsplätze zu erhalten und die regionalen Disparitäten zu mildern, war bereits in der Plenarsitzung des Bundestages vom 2. Juli 1953 ein Beschluss über ein Förderprogramm für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze gefasst worden. Die Förderungsmaßnahmen erstrecken sich seither auf Frachtkostenentschädigung, Minderung der Gewerbesteuer, Investitionsrücklage, Sonderabschreibungen für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und kulturelle Hilfsmaßnahmen. Aus der Sicht von 1953 galten als begünstigte Gebiete die Zonengrenzlandschaften, darunter der Landkreis Lichtenfels und die Sanierungsgebiete. Hierzu wurde u.a. die Gemeinde Michelau gezählt. (27) Seit der Gebietsreform von 1972 traten anders organisierte Förderansätze in den Vordergrund: Die im Grundgesetz, Art. 91 a, festgelegte Mitwirkung des Bundes bei Aufgaben von Allgemeininteresse führte zur Verabschiedung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Seitdem können die Fördermittel des Bundes in Anspruch genommen werden. (28) Innerhalb dieser Rahmenpläne war Michelau als Schwerpunktort mit einer Förderquote von 15% ausgewiesen. (29) In der bayerischen Landesplanung wurde die Notwendigkeit der Förderung in der Regionengruppe "Grenzland- und überwiegend strukturschwache Räume" festgelegt. Auf die veränderten Rahmenbedingungen seit der Wiedervereinigung am 3.10.1990 hat die bayerische Landesplanung reagiert, indem sie der Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms "Bayerischer Grenzraum" zugestimmt hat. Bis 1994 gelten Übergangsregelungen, Abschreibungsmöglichkeiten gemäß der Grenzlandförderung sind bis 1995 in Kraft. (30)

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