Ekkehard Klement:

Zur Reise Kaiser Napoleons I. durch den Mainkreis im Frühjahr 1812

Vor 161 Jahren versuchte Napoleon I. Bonaparte durch die Niederwerfung Russlands seinem Ziel, der Weltherrschaft, näher zu kommen. Das Scheitern dieser Absicht leitete seinen Sturz ein. Vergessen wird meistens, dass hunderttausende Soldaten aus Mittel- und Westeuropa seinen Plänen zum Opfer fielen, unbekannt weiterhin, dass sich seine Unternehmen in so friedlichen Dingen wie Uferbefestigung der Haslach bei Kronach, Reparatur der Straße über den Trieber Berg oder das Stellen von Vorspann am Würgauer Berg im Obermaingebiet unmittelbar manifestierten. Mit dem Krieg der napoleonischen Ära hatte Franken bereits 1796, 1800 und 1806 Bekanntschaft gemacht. Im letztgenannten Jahr erfolgte der Aufmarsch gegen Preußen durch die fränkischen Gebiete, das I. Korps (Bernadotte) war im Raume Lichtenfels einquartiert, (Napoleon selbst legte die Strecke Bamberg - Kronach in 6 Stunden zurück). Der Durchzug des Kaisers im Mai 1812 ist im Staatsarchiv Bamberg1) Gegenstand einer umfangreichen Korrespondenz. Während die Heere des Absolutismus sich vorwiegend aus Magazinen versorgten - dies war wegen des relativ geringeren Umfangs der Soldtruppen möglich -, lebten die Heere der französischen Revolution aus dem Lande, wie es im Dreißigjährigen Krieg üblich gewesen war. Napoleon verband beide Systeme. Er verfügte über große Zentralmagazine mit gewaltigen Vorräten, spannte aber auch das durchzogene Land zur Truppenversorgung mit ein. Es spielte dabei nur eine geringe Rolle, ob das durchquerte Territorium befreundet oder Feindesland war. Die Auswirkungen dieses Versorgungsprinzips, das nicht nur in Kontributionen, sondern auch in Hand- und Spanndiensten bestand, soll Gegenstand des Aufsatzes sein.

Das Königreich Bayern, das dem Rheinbunde von 1806 angehörte, war damals (1812) nach dem Vorbild der französischen Departments, die zum Großteil von Flüssen den Namen tragen, in den Mainkreis (Bayreuth), den Rezatkreis (Ansbach), den Regenkreis (Regensburg), den Oberdonaukreis (Eichstätt), den Isarkreis (München), den Unterdonaukreis (Passau) und den Illerkreis (Kempten) gegliedert - dazu kamen die heute nichtbayerischen Gebiete des Salzachkreises (Salzburg) und des Innkreises (Innsbruck) .2) Montgelas' Wirken als Organisator Bayerns macht sich bis heute deutlich bemerkbar, wenn auch die Generalkommissariate der Kreise nur ungefähr den Regierungsbezirken entsprechen. Für unseren Zusammenhang wichtig ist die Tatsache, dass Würzburg damals ein eigenes Territorium (1803-14) des Großherzogs von Toskana bildete und somit 1812 nicht zum Königreich Bayern gehörte.

Selbstverständlich war den führenden Beamten des Königreiches Bayern, das seit der Säkularisation 1803 und in den darauffolgenden Jahren der Nachfolger der fränkischen Territorialfürsten geworden war, nicht unbekannt, dass der Kaiser eine Unternehmung gegen Russland plante, denn schon seit dem Ende des Winters 1811/1812 marschierten verschiedene Truppen, darunter die bayerischen, in die vorgesehenen Aufstellungsräume. Die bayerischen Verbände unter Wrede (2. bayer. Korps) waren im Raum Bamberg ­ Erlangen - Nürnberg zusammengezogen worden. Am 10. März 1812 begann der Vormarsch in fünf Kolonnen mit je einem Tagesmarsch Abstand. Die 3. Kolonne, um ein Beispiel anzuführen, erreichte, von ihrem Quartier in Forchheim kommend, am 11. März Bamberg - am 12. Staffelstein - am 13. Kronach - am 14. Steinwiesen - am 15. war Rasttag in Steinwiesen - am 16. Lobenstein und am 17. Schleiz. 3) Die Bagagewagen mussten ab Kronach mit je 10-12 Ochsen bespannt werden, weil keine Pferde vorhanden waren. 4)

Auf den Verlauf des Russlandfeldzuges 1812 soll hier nicht eingegangen werden, erinnert sei jedoch an die Tatsache, dass nur knapp 2% (!) der bayerischen Truppen aus Russland zurückkehrten.

Unbekannt war bis März 1812, dass Napoleon I. seinen persönlichen Reiseweg über Franken nehmen würde. Auch Teilen der Garde dienten die Mainlande als Aufmarschgebiet.

Erst am 31. März 1812 schrieb das Generalkreiskommissariat des Mainkreises in Bayreuth nach Bamberg, dass der Kaiser kommen würde. Die genaue Zeit und auch die exakte Route blieben im Augenblick noch ungenannt, doch werden als Marschstationen, neben Bamberg, noch Staffelstein und Kronach vermutet. In diesem Brief wird an die „Lieferung des Bedarfs an Lebensmitteln, Fourage und Vorspann erinnert". Bayreuth ist sich aber über die Lieferschwierigkeiten klar, denn im Schreiben heißt es: „Bei den bedeutenden Märschen, welche bereits auf dieser Route stattgefunden haben, wird es großen Schwierigkeiten unterliegen, die Bedürfnisse des Militärs herbeizuschaffen, und es erfordert dies die angestrengteste Tätigkeit der Marschbehörden." 5)

Als Konsequenz aus dieser Erwartung musste besonders im Straßenbau größere Aktivität entwickelte werden, „da es von der äußersten Wichtigkeit ist, dass die Straßen, welche S. M. der Kaiser zu passieren haben, sich in möglichst bestem Zustand befinden und ohne Gefahr zu befahren sind, so wird diese (= kgl. Straßenbaudirektion) hiervon in Kenntnis gesetzt und angewiesen, auf der Stelle alle Anordnungen zu treffen, dass im allgemeinen die ganze Straße möglichst ausgebessert und insbesondere die gefährlichen Passagen zwischen Hollfeld und Würgau, dann von Kronach bis an die Grenze nach Lobenstein in fahrbarem Zustande versetzt werden .... Da die K. Direktion für jeden Aufenthalt und Unfall, welche S. M. dem Kaiser auf der Reise begegnen könnte, zunächst verantwortlich gemacht werden würde . . ." 6).

Zunächst blieb weiterhin unbekannt, welche Route Napoleon wählen würde. Der Außerordentliche Gesandte und Bevollmächtigte Minister v. Reding, der das Königreich Bayern in Würzburg beim dortigen Großherzog von Toskana vertrat, kann Graf Thürheim, dem Generalkreiskommissar des Mainkreises, auch am 3. April 1812 7) nur verschiedene Möglichkeiten nennen. Sicher war nur die Reise bis Würzburg, ob aber der Kaiser von dort nach Bamberg weiterfahren würde, oder über Schweinfurt - (Bad) Neustadt -Meiningen nach Dresden reisen wollte, vielleicht auch über Schweinfurt - Ebern - Coburg -, oder ob er die Strecke Bamberg - Kronach. - Nordhalben - Lobenstein, bzw. Bamberg - Würgau - Hollfeld - Bayreuth - Hof für die Reise nach Dresden verwenden würde, war unklar. Auch der Zeitpunkt blieb vollkommen geheim. Wir müssen uns vorstellen, dass Napoleon die Strecke Bamberg - Bayreuth, die er schließlich wählte, in sieben Stunden zurücklegte, und alle Aufwendungen, die seine Person betrafen, sich auf diese Zeitspanne beschränkten. Offensichtlich arbeiteten die bayerischen Straßenbehörden nach französischen Vorstellungen nicht rasch genug, denn nur so ist es zu verstehen, dass am 12. April reklamiert wird:

„Le commandant du Genie ä la 2e Division de la Garde Imperiale: J'ai 1'honneur de vous prevenir, que d'apres les rapportes, qui ont ete faite ä M. le comte Walther . . . ., sur le mauvais etat de la route. J'ai re2u fordre, de faire requisitions dans les villages ä portees de la route, en hommes et cheveaux, qui me paraitront necessaires aux reparations urgentes . . ." 

(„Der Kommandeur der Bautruppen der 2. Division der Kaisergarde: Ich habe die Ehre, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass nach den Meldungen, die dem Grafen Walther gemacht worden waren, der Zustand der (Vormarsch-) Straße sehr schlecht ist. Ich habe den Befehl erhalten, in den Dörfern, die von der (Vormarsch-) Straße aus erreichbar sind, Menschen und Pferde zum Dienst heranzuziehen, dies erscheint mir für die dringlichsten Ausbesserungen notwendig . . .") 8)

Daraufhin scheint eine erhebliche Intensität der angesprochenen Dienststellen eingesetzt zu haben, denn schon am 16. April meldet Hollfeld den Beginn der Pflasterung, und aus Münchberg kommt zwei Tage später der Bericht, dass die Chaussee abgefahren und für den Kaiser hergerichtet sei. „ . . . und nun nichts anderes sagen kann, als dass solche so beschaffen ist, dass S. M. der Kaiser von Frankreich mit deren Allerhöchsten Gefolge ohne Anstoß durchpassieren kann." 9)

Zwei besonders schwierige Teile waren der Würgauer und der Trieber Berg, der erstere wurde wie folgt beschrieben: Würgau „liegt eine Stunde oberhalb Scheßlitz am Ende des dortigen Wiesengrundes. Von Bamberg kommt man auf einer mit Viertelstundensteinen versehenen Chaussee von gemeinen 60tausend Schuhen (= 18 km) bis an das Ort, welches in Bäumen ganz versteckt ist." 10) „Von diesem Ort kommt man auf das Gebirge, wo die Straße einen steilen Berg zwischen Felsenklippen hinaufgeht, einerseits stürzt sich ein rauschendes Quellwasser herab, das am Berge im Holze entspringt, andererseits entspringt eine andere Quelle." 11)

Von den Einwohnern Würgaus heißt es: „ . . . sie verdienen aber Geld durch das Vorspannen." 12)

Da ursprünglich, wie bereits angeführt, auch eine Reise des Kaisers über Staffelstein - Lichtenfels - Kronach -wie er sie 1806 unternommen hatte, möglich erschien, musste auch der Trieber Berg, bzw. die über ihn verlaufende Straße in fahrbereiten Zustand versetzt werden. In der Beschreibung heißt es: „Da die Landstraße nächst an Trieb vorbeigeht und die Chaussee von dem schwäbischen Baumeister Lachmayr höher (= steiler) angelegt worden ist, als zuvor der Berg war, so verdienen die dortigen Untertanen manches Geld durch Vorspann." 13)

Die Aufwendungen, die angeführt wurden, um die Chaussee bei Trieb zu reparieren, sind in einer Aufstellung vom 23. Juni 1812 erhalten.

Die gewährte Erstattung betrug für einen Wagen mit Fahrer 1 Gulden 30 Kreuzer, am Tage, für einen Handarbeiter 20 Kreuzer (Gulden: 60 Kreuzer = 240 Pfennige).

Es ist sehr schwierig, einen Vergleichsmaßstab für die reale Entlohnung zu finden. Vor Beginn der Revolutionskriege (1790) kostete in Bamberg ein Pfund Weißbrot vier Kreuzer, ein Pfund Schwarzbrot neun Pfennige, eine Maß Bier elf Pfennige. 14) Inzwischen waren aber die Preise, durch die zahlreichen kriegerischen Verwicklungen bedingt, sehr gestiegen, ohne dass dafür genaue Beispiele vorliegen.

„Die Kosten der Straßenausbesserungen bei der vermeintlichen Durchreise 
Seiner Majestät des Kaisers von Frankreich."
15)

Ort
Wagenzahl 
Hand-
arbeiter

Summe in
Gulden /
Kreuzer

Mistelfeld
2
8
4,10
Kloster Langheim
2
4
5,10
Roth
2
8
3,50
Deggendorf
2
2
5,10
Trieb
8
18
3,10 
Anger
2
9
15,20
Obersdorf
6
8
4,45
Isling
8
13
10,10
Obristfeld
4
4
14,20
Unterwallenstadt
-
6
2,00
Spiesberg
2
6
4,30
Oberwallenstadt
1
3
2,15
Reuth
2
6
4,30
Zettlitz
2
4
3,50
Thelitz
6
5
9,10
Wolfloch
6
12
11,30
Burgstall
2
6
4,30
Zeublitz
4
4
6,20
Horb
2
6
4,30
Hochstadt
12
12
19,00
Neuses
4
4
6,20
Mönchkröttendorf
4
8
7,00
Summe:
83
156
151,30

Alle genannten Orte lagen im Gebiete des damaligen Landgerichtes Lichtenfels. Das Forstamt berechnete 7,30 Gulden an Holzentnahme für die Einfassung des Trieber Berges. Der Zimmermann Kraus aus Trieb verlangte einen Gulden für die Aufstellung des Geländers. Eine hohe Rechnung forderte Konrad Prinz aus Schwürbitz, nämlich 15 Gulden, weil alle Bauwagen über seine Wiese fuhren, um die Steine für die Auffüllung der Chaussee zu holen. ")

Der Gesamtbetrag, der vom Landgericht Lichtenfels beim Generalkommissariat des Mainkreises gemeldet wurde, betrug ca. 175 Gulden. - Zu erwähnen bleibt noch, dass die damaligen Landgerichte auch Verwaltungsaufgaben, vergleichbar den heutigen Kreisbehörden, wahrnahmen.

Ein anderes Problem, das parallel zum Ausbau der Straßen gelöst werden musste, bestand in der Versorgung der durchmarschierenden Gardeverbände des Kaisers.

Gleichfalls am 31. März 1812, 17) dem zeitlichen Ausgangspunkt der vorliegenden Darstellung, teilte Baron Reding aus Würzburg dem Mainkreis mit, dass am nächsten Tage 8000 Gardesoldaten mit 4 500 Pferden in Würzburg ankämen, um von dort über Bamberg-Bayreuth weiterzuziehen.

Interessant sind die Etappen der französischen Fußtruppen, die sie beim Durchqueren Frankens verwendeten. Sie liefen nach folgendem Schema ab: Würzburg - Dettelbach - in der Nähe von Schwarzenau war eine Brücke gebaut worden - Burgwindheim - Bamberg - Würgau - Hollfeld - Bayreuth -(Bad) Berneck - Münchberg - Hof - Plauen. 18) Die Strecke Burgwindheim - Hof gehörte zum von Bayreuth aus verwalteten Mainkreis. Diese acht Tagesetappen (ab Burgwindheim) verlängerten sich durch einen planmäßig eingelegten Ruhetag (10. April) um eine weitere Übernachtung.


Burgwindheim
Bamberg
Würgau
Hollfeld
5. April
3. Garde-Grenadiere zu Fuß



6. April
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß


7. April
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
z. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß

8. April
Garde-Chasseurs zu Pferd
3. Garde-Grenadiere zu Fuß
z. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß
9. April
Garde-Dragoner
Garde-Chasseurs zu Pferd
z. Garde-Grenadiere zu Fuß
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
10. April (Rasttag)
Garde-Dragoner
Garde-Chasseurs zu Pferd
z. Garde-Grenadiere zu Fuß
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
11. April
Garde-Grenadiere zu Pferd
Garde-Dragoner
Garde-Chasseurs zu Pferd
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
12. April

Garde-Grenadiere zu Pferd
Garde-Dragoner
Garde-Chasseurs zu Pferd
13. April


Garde-Grenadiere zu Pferd
Garde-Dragoner
14. April



Garde-Grenadiere zu Pferd
15. April




16. April





Bayreuth
(Bad) Berneck
Münchberg
Hof
5. April




6. April




7. April




B. April




9. April
3. Garde-Grenadiere zu Fuß



10. April (Rasttag)
3. Garde-Grenadiere zu Fuß



11. April
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß-Grenadiere zu Fuß


12. April
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß

13. April
Garde-Chasseurs zu Pferd
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
3. Garde-Grenadiere zu Fuß
14. April
Garde-Dragoner
Garde-Chasseurs zu Pferd
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
2. Garde-Chasseurs zu Fuß
15. April
Garde-Grenadiere zu Pferd
Garde-?Dragoner
Garde-Dragoner
2. Garde-Grenadiere zu Fuß
16. April



Das Generalkommissariat des Mainkreises berichtete am 9. April an das kgl. Ministerium des Auswärtigen in München, dass sieben Regimenter mit 8 500 Mann und 4 500 Pferden 9 Tage im Mainkreis verweilen werden. Wörtlich heißt es dann weiter: „Da diese Truppen die bereits angezeigte Marschroute über Würgau - Hollfeld verfolgen, so sind sie auch inclusive Ruhetag neun Tage in dem Mainkreise zu verpflegen, der deshalb auch diesen fortandauernden und drückenden Lasten bis zur gänzlichen Erschöpfung und Vernichtung unterliegen muss . . . Den Fouragebedarf zu führen, wird eine völlige Unmöglichkeit und ich (= Graf Thürheim) muss daher ebenso dringend als ehrerbietig meinen, die Forderungen an Fourage aus dem Regenkreise (= Oberpfalz) schleunigst verfügen zu wollen." 19)

Ein Garderegiment zu Fuß verfügte über 1 600 Mann in zwei Bataillonen mit je 4 Kompanien. Ein Garderegiment zu Pferd 300 Mann. 20)

Von Bamberg war eine Meldung des Postmeisters, Grafen von Taufkirchen, am 6. April nach Bayreuth gegangen, die optimistisch klang: „Es sind alle Vorbereitungen getroffen, die eine glückliche Beendigung des Geschäftes voraussehen lassen. 21) Offensichtlich bezieht sich der Alarmruf des Mainkreis­Generalkommissariats auf die Verhältnisse der kleineren Marschstationen. Allerdings sieht sich auch Bamberg veranlasst, am 10. April vorzuschlagen, dass die Gardedragoner nicht in der Stadt selbst, sondern in Hallstadt, Scheßlitz und Straßgiech Rast machen. 22)

Mit dem Verhalten der französischen Truppen, die z. T. aus linksrheinischdeutschen und niederländischen Departments kamen, war man allgemein zufrieden, wie aus einem Brief vom 7. April hervorgeht, der allerdings

noch vom Anfang der Durchmarschphase stammt: „Die Mannschaft hat sich gut betragen . . . Die Generale bleiben durchaus bei den Truppen, ohne eine Etappe zu überspringen." 23)

Kritik wird an der Tatsache laut, dass die französische Marschplanung ausgerechnet die Poststationen als Quartiere wählt, deshalb sei die Versorgung so schwierig. Die Forderung zur Stellung von 100 000 Rationen und 16 000 Paar Schuhen ist sehr schwer nur zu erfüllen, „wozu natürlich das ganze Land kontributieren MUß.„ 24)

Für die Bagage des jeweiligen Tagesregiments werden am Würgauer Berg jeweils 70 Pferde benötigt, 25) das Landgericht Weismain wird aufgefordert, dem Landgericht Hollfeld Hilfe angedeihen zu lassen, um die benötigte Pferdezahl aufzubringen. Zusammenfassend äußert sich das Generalkommissariat des Mainkreises am 17. April an das kgl. Ministerium des Auswärtigen dahingehend: „Die kurzen Märsche, welche diese Regimenter täglich zurücklegen, vermehren nicht nur die Last der Untertanen unverhältnismäßig, sondern veranlassen auch für die Behörden die größten Schwierigkeiten wegen Unterbringung der Mannschaft . . . Im allgemeinen führen sich die Garden gut auf und es wird Manneszucht gehalten, jedoch machen sie durchaus größere Forderungen . . . Besonders verlangen sie durchaus größere Fourage Rationen und von den Gemeinden, wo sie in Quartier liegen, noch beträchtliche Zulieferungen." 26)

Nachdem Ende April 1812 eine weitere Truppenwelle, zu der auch drei polnische Regimenter, Gendarmes d' Elite, Lanciers und Grenadiere zu Pferde gehörten, 27) durchgezogen war, blickte der bayerische Behördenapparat dem Erscheinen des bewunderten, gefürchteten und auch gehassten Kaisers entgegen.

Wohl war es gelungen, die Straßen instandzusetzen, doch nun ergab sich die neue Aufgabe, genug Pferde als Vorspann für den Kaiser und sein persönliches Gefolge aufzutreiben.

Erst am 9. Mai 1812 teilte von Reding dem Generalkreiskommissar des Mainkreises, dem Grafen v. Thürheim mit, dass die Anreise des Kaisers unmittelbar bevorstünde. 28) Gleichzeitig erfährt er die Etappen des Kaisers. Baron Reding gab bekannt: Napoleon fährt aus Paris ab in der Nacht vom 7./8. Mai mit folgenden Tageszielen: Chälons sur-Marne 8. - Metz 9. - Mainz 10. - Aschaffenburg 11. - Würzburg 12. - Bayreuth 13. Mai. Tatsächlich aber begann Napoleon seine Fahrt erst am 9. Mai in Paris, 29) am 13. Mai Vormittag 9 Uhr war er in Aschaffenburg: „Am 13. Mai morgens 9 Uhr ist der Kaiser Napoleon hier eingetroffen. Den Tag vorher war die kostspielige große Beleuchtung hier gewesen. Alle Glocken wurden zusammengeläutet. Nach dem Frühstück reiste er ab nach Dresden." 30) Auf diese Meldung hin begannen die Beamten in Bayreuth hastig zu arbeiten, wie die Menge der Schriftstücke beweist, die am 10. Mai aus Bayreuth in die verschiedenen Landgerichte abging. Da Napoleon also den Würgauer Berg überwinden musste und der kaiserliche Konvoi aus drei Teilen bestand, von denen die Vorhut am 12. Mai (nach dem mitgeteilten Termin) 160 Zugpferde, die Kaisergruppe am 13. Mai 120 Pferde und die Nachhut am 14. Mai 100 Tiere Vorspann benötigte, 31) erging der Befehl, bis spätestens 12. Mai, morgens vier Uhr, die Pferde bei Würgau versammelt zu haben. 32) - Auch für die übrigen Tagesetappen wurden 300 Pferde als Vorspann benötigt. 33)

Weismain, damals ebenfalls noch ein Landgericht, erhielt die Auflage, 30 Pferde für die Etappe bis Bayreuth nach Hollfeld zu schicken. „Die Wichtigkeit des Gegenstandes macht es zur unerläßlichen Pflicht, für den vollständigen Vollzug dieser Verfügung die genaueste Sorge zu tragen, da jedes Versehen . . . die nachdrücklichste Bestrafung unausbleiblich zur Folge haben MUß." 34)

Am gleichen Tage fordert Bayreuth beim kgl. Postmeister in Bamberg, dem Grafen von Taufkirchen, weitere 1203 Pferde an, davon sollen das Landgericht Banz 61, das Landgericht Lichtenfels 120 und das Landgericht Kronach 125 Tiere stellen. 35) Der Grund liegt in der mangelnden Amtshilfe des Regenkreises (Graf von Lodron), wie Bayreuth meint. Wahrscheinlich waren dort aber die Verhältnisse auch nicht besser.

Am 11. Mai erreicht das Generalkreiskommissariat ein Schreiben des Landgerichts Weismain, das 6 Tage unterwegs war. Das dortige Landgericht hatte vorsorglich seine Erschöpfung an Spannpferden mitgeteilt: „Die Pferde des hiesigen Bezirks sind teils so abgetrieben und entkräftet, teils auch krank, dass sie nicht im Stande sind, Vorspanndienste zu leisten. Nur zehn, höchstens zwölf Pferde können zu Militärfuhren gebraucht werden, aber auch nicht andauernd, wenn sie nicht ebenfalls kraftlos und elend werden sollen". 36)

Als Grund wird angegeben, dass sie seit Mitte März für bayerische und französische Truppen laufend eingesetzt werden und dabei nie in den Stall kamen. Abschließend endet das Schreiben aus Weismain, „das gehorsamst Unterzeichnete (= Landgericht Weismain) macht hiervon die schuldigste Anzeige, um sich gegen Verantwortlichkeit im voraus zu sichern. . ." (!) 37)

Gleichzeitig mit diesem Brief trifft auch die Antwort für die Gestellung der dreißig Pferde nach der Forderung des Vortages ein: es seien überhaupt nur 45 Pferde im Bezirk und eine absolute Unmöglichkeit, zum genannten Termin dreißig Pferde nach Hollfeld zu bringen. 38) ? Das Generalkreiskommissariat kümmert sich sogar um die Pferderationen und schreibt täglich acht Maß Hafer, zehn Pfund Heu und neun Pfund Stroh vor. 39)

Über die Durchreise des Kaisers geht nichts aus den Akten hervor, denn sie dauert nur sieben Stunden. Die Gardeulanen (Lanciers des Gardes) und die Gardejäger zu Pferde (Chausseurs ä Cheval des Gardes) bildeten seine Eskorte 40) (ca. 300 Mann). Wir erfahren noch, dass die Ehrenpforte am Erlanger Turm in Bayreuth „von mutwilligen Personen an verschiedenen Stellen schon sehr beschädigt" wurde, was wohl mehr Unfug als bewusste politische Demonstration war, obgleich das Ansehen Napoleons in Deutschland 1812 nicht mehr sehr hoch stand. Doch es blieb die Furcht vor dem allmächtig erscheinenden Korsen.

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass im Jahre 1813, als Bayern vorsichtig neutral blieb, unsere unmittelbare Umgebung bayerischen Truppen zur Garnison diente. König Maximilian I. hatte am 6. März 1813 die Neuaufstellung der in Russland vernichteten bayerischen Kontingente angeordnet. 42)

Von diesen Truppen wurde die 2. Brigade Ende März im Raume Bamberg stationiert, 43) davon das Kampfbataillon des 5. Regiments in Lichtenfels und Umgebung, das Kampfbataillon des 7. Regiments in Weismain und Umgebung. Auch diese Einheiten wurden Napoleon zunächst noch einmal zur Verfügung gestellt, während die Masse des bayerischen Heeres aus politischen Gründen in Altbayern blieb.

Interessant ist noch die Endabrechnung des Generalkreiskommissariats vom 7. Oktober 1816 „Zusammenstellung der Forderungen königlicher Untertanen." 44) Sie betrugen insgesamt 2 207 Gulden und 141/2 Kreuzer. Für ein in Verlust gegangenes Pferd wurden 70-120 Gulden bezahlt, für ein (damals, 1812) erkranktes Pferd 40-50 Gulden, für ein Pferd das seitdem lahmt, 20 Gulden. 45)

Bemerkenswert erscheinen die Antworten, der uns vor allem interessierenden Landgerichte Banz, Lichtenfels und Weismain: Weismain meldet unter dem 7. Februar 1816: 46) Keine Beschädigungen oder Verluste von Vorspannpferden bei Reisen des „vormaligen Kaisers von Frankreich"; Banz äußert sich unter dem 27. September 1816 47) dahingehend, dass „Pferde in den bemerkten Jahren nicht zu Verlust gingen." Lichtenfels antwortet am gleichen Tage,48) dass es innerhalb der geforderten Zweitagefrist keine Auskunft erteilen könne.

Offensichtlich konnten die drei Landgerichte für den Vorspann nicht herangezogen werden, weil tatsächlich oder angeblich keine Pferde vorhanden waren, wie dies für Weismain der Fall ist, oder es kamen wegen der Kürze der Aufforderung die Pferde aus Lichtenfels und Banz nicht zum Einsatz.

Sicherlich traf der „Atem der Weltgeschichte" im Frühling 1812 auch den Lichtenfelser Raum. Wenn wir aber bleibende Spuren in unserer Kulturlandschaft suchen, so finden sich - ohne Kenntnis der Archivalien - keine Anhaltspunkte. Selbst der Ausbau der alten Straße über den Trieber Berg läßt sich aus dem heutigen Zustand nicht zurückschließen. Dennoch bleibt ihre Sicherung in unserem Landkreis die einzige konkrete Handlung im Zusammenhang mit den Weltherrschaftsplänen des Korsen.